Eberhard von Rohrdorf

Eberhard von Rohrdorf

Eberhard von Rohrdorf

Eberhard von Salem

Abt von Salem 1191–1240

* um 1160
† 10. Juni 1245 Salem

Herkunft

Eberhard wurde um das Jahr 1160 als Sohn des Grafen Gottfried von Rohrdorf (†1191) und einer Gräfin Adelheid geboren. Um 1180 trat er als Mönch in das 1137/38 gegründete Zisterzienserkloster Salem ein, am 12. Juni 1191 wurde er in der Nachfolge des verstorbenen Klosterleiters Christian (1175–1191) zum Abt der Mönchsgemeinschaft am Bodensee bestimmt. Über vor seinem Abbatiat ausgeübte Klosterämter ist nichts bekannt.

Politisches Wirken

Zu Beginn seiner Amtszeit konnte Eberhard Besitzstreitigkeiten um die Grangie Madach mit dem Reichsministerialen Ulrich von Bodman ausräumen (1191). Weiter gab es wegen der Bestattung einer Frau in der Salemer Klosterkirche zu Unstimmigkeiten mit dem Generalkapitel des Zisterzienserordens (1193). Im deutschen Thronstreit (1198–1208) trat Eberhard für den staufischen König Philipp von Schwaben (1198–1208) ein. In dessen Umgebung hielt sich der Abt mehrfach auf, in dessen Auftrag unternahm er – zusammen mit anderen Anhängern des Staufers, darunter Erzbischof Eberhard II. von Salzburg (1200–1246) – eine Reise nach Rom zu Papst Innozenz III. (1198–1216), um eine weitere päpstliche Einmischung zu Gunsten des welfischen Königs Otto IV. (1198–1218) (vergeblich) zu verhindern (1202). Umgekehrt erhielten das Kloster Salem und Abt Eberhard als Parteigänger der Staufer von König Philipp Privilegien und Urkunden (1207, 1208). Im Jahr 1207 vermittelte Eberhard noch zwischen Papst und Stauferkönig, nach der Ermordung Philipps (1208) erkannte der Salemer Konvent die Königsherrschaft Ottos IV. bei Unterstellung des Klosters unter den Schutz des Herrschers (1209) an, wandte sich aber alsbald (1209) Philipps Neffen, dem staufischen König Friedrich (II.) von Sizilien (1198/1212–1250), zu. Letzterer setzte sich ab 1212 zunächst in Süd-, dann in Norddeutschland gegen Kaiser Otto IV. durch. Die Beziehungen zwischen Eberhard und dem staufischen König und Kaiser Friedrich II. sowie dessen Sohn König Heinrich (VII.) (1220–1235) blieben in der Folgezeit eng. Doch war Eberhard auch im päpstlichen Auftrag tätig, etwa als Kreuzzugsprediger in der Mainzer Diözese (1213) oder bei einer letztlich nicht zustande gekommenen Bistumsgründung im Kärntner Lavanttal (1225).

Wirtschaftliche Tätigkeit

Ein Privileg König Heinrichs (VII.) zur Abgabenfreiheit aller Salemer Besitzungen und zur Zollfreiheit der Salemer Mönche in den Königsstädten (1231) lenkt den Blick auf die wirtschaftlichen Grundlagen der Zisterzienserabtei, die unter Abt Eberhard eine starke Ausweitung erfuhren. Da ist zunächst die ausgedehnte Grangienwirtschaft, die eigenbewirtschaftete Güterkomplexe im engeren (Banzenreute, Forst, Madach, Mendlishausen, Schwandorf) und weiteren geografischen Umfeld Salems (Altmannshausen, Bachhaupten, Dornsberg, Gründelbuch, Runstal) umfasste. Die Grangie Runstal (bei Schwenningen) entstand ab 1208 durch eine gezielt von Eberhard verfolgte Besitzpolitik, Ähnliches gilt für die Grangie Altmannshausen (bei Zwiefalten). Der Gütererwerb geschah dabei vielfach durch Käufe, auch Schenkungen kamen noch vor. Auf der anderen Seite führte der Erwerb von Besitz und Rechten auch zu Konflikten, u.a. mit den Anwohnern des Adelsreuter Waldes um Allmendrechte der Salemer Grangie Adelsreute (1198). Neben der Eigenwirtschaft sind grundherrschaftliche Renten und kirchliche Zehnten auszumachen. Weiter gehörte ab dem Jahr 1201 die Saline Hallein (bei Salzburg) zur Zisterzienserabtei, die sich dafür dem Salzburger Erzbistum formell unterordnete. Der Zunahme der nicht nur landwirtschaftlichen Erträge des Klosters entsprach es, dass Eberhard in wichtigen städtischen Zentren Oberschwabens Pfleghöfe anlegen ließ (Überlingen 1211, Konstanz 1217, Ulm 1222, Esslingen 1229). Ausfluss der vom Kloster erworbenen Güter, Rechte und Privilegien ist der unter Eberhard ab 1215 angelegte Codex diplomaticus Salemitanus, ein Kopialbuch (Chartular) mit Urkundenabschriften und einer Klostergeschichte von der Gründung der Mönchsgemeinschaft bis zum Jahr 1210 (Historia brevis monasterii Salemitani, auch De fundatione claustri Salemitani).

Wirkung nach Außen

Außenwirkung entfaltete die Mönchsgemeinschaft Salem unter Abt Eberhard auch hinsichtlich anderer Zisterzienserkommunitäten. Salemer Mönche besiedelten das 1220/27 von Heinrich II. von Rapperswil gestiftete Kloster Wettingen, das – neben Tennenbach (seit 1180/90) – das zweite Salemer Tochterkloster wurde. Salemer Abt und Kloster unterstützten weiter die Gründung und den Aufbau von Zisterzienserinnenklöstern. Die Frauengemeinschaften Wald (1212), Rottenmünster (1221), Heiligkreuztal (1227), Baindt (1227/40), Heggbach (um 1233) und Gutenzell (1238) blieben ihrem zisterziensischen Mutterkloster Salem in der Folgezeit im Rahmen einer geistlichen Aufsicht unterstellt.

Wirken im Kloster

Der Überlieferung des Klosters Salem aus dem späten Mittelalter und der frühen Neuzeit zufolge herrschte in Salem unter Abt Eberhard eine strenge Disziplin und Askese. Das Kloster erfuhr einen Zuwachs an Mönchen und Laienbrüdern, andernfalls wäre die Gründung Wettingens wohl nicht möglich gewesen. Niederschlag fand die zisterziensische vita communis weiter in der Handschriftenproduktion des Salemer Skriptoriums. Eine Vielzahl von Salemer Handschriften wurde in der Amtszeit Abt Eberhards angefertigt, abgeschrieben oder gesammelt, u.a. eine mehrbändige Bibel, liturgische Gebrauchsliteratur wie Hymnare, Antiphonare, Graduale oder Prozessionale, Texte und Homilien von lateinischen Kirchenvätern sowie Heiligenviten z.B. der heiligen Elisabeth oder von angelsächsisch-englisch-irischen Heiligen; Weniges davon wie Schriften des Bernhard von Clairvaux war zisterziensisch. Der Salemer Mönch und Schreiber Johannes Gallus verfasste zudem ein Gedicht auf den Konstanzer Bischof und Wohltäter Diethelm von Krenkingen (1189-1206), der in Salem starb, und über die Ermordung des staufischen Königs Philipp, weiter eine Grabinschrift auf die Grafen von Rohrdorf; es wird angenommen, dass Eberhard eine Familiengrablege der Rohrdorfer Grafen in Salem gegründet hat. Abt Eberhard selbst beschäftigte sich intensiv mit Visionsliteratur. So soll er die Vision des schwer kranken Mönches Rudolf von Kaisheim aufgezeichnet haben (um 1207); weiter soll ihm Christus im Traum erschienen sein und verschlüsselt die Ankunft von zwei Dominikanerpredigern in Salem angekündigt haben. Ob Eberhard die Historia peregrinorum, einen Bericht zum Dritten Kreuzzug (1189–1192), verfasst hat, ist umstritten.

Rücktritt und Tod

Wohl alters- und krankheitsbedingt trat Eberhard im Herbst 1240 von seinem Abbatiat zurück. Der Klosterüberlieferung zufolge starb er am 10. Juni 1245. Unter ihm hatte sich Salem zu einer wirtschaftlich und geistlich-kulturell bedeutenden Gemeinschaft von Zisterziensermönchen entwickelt, die weithin in den oberschwäbischen Raum (besonders zwischen Überlingen und Ravensburg) ausstrahlte. In Salem wurde Eberhard als wichtigster mittelalterlicher Abt angesehen, das Singspiel Beatus Eberhardus, comes de Rordorf („Seliger Graf Eberhard von Rohrdorf“, 1737) spricht für die Verehrung Eberhards im Zeitalter des Barock. Innerhalb des Zisterzienserordens gilt Eberhard als selig, der 14. April erinnert als katholischer Gedenktag an den Salemer Abt.

Michael Buhlmann, Nov. 2012‎


Quellen und Literatur:

Borst, Arno: Mönche am Bodensee (610–1525), Sigmaringen 1978, S. 190–209 · Codex Diplomaticus Salemitanus, hg. von Friedrich v. Weech, Tl.I: Urkunden 1134–1266 (= Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, Bd. 35), Karlsruhe 1883 · Eberhard von Rohrdorf, bearb. von Hans Martin Schaller, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 4, Berlin 1959, S. 230 · Fleischer, Andrea: Zisterzienserabt und Skriptorium. Salem unter Eberhard I. von Rohrdorf (1191–1240) (= Imagines Medii Aevi, Bd.19), Wiesbaden 2004 · Gloning, Marian: Graf Eberhard von Rohrdorf. Abt von Salem 1191–1240. Ein kurzes Lebensbild, Augsburg 1904 · Zisterzienserkloster Salem, bearb. von Gerhard Kaller, in: Helvetia Sacra, Abt. III: Die Orden mit Benediktinerregel, Bd. 3: Die Zisterzienser und Zisterzienserinnen, Tl. 1, Bern 1982, S. 341–375, hier: S. 352f.

Normdaten:

GND: 119501414 · BEACON-Findbuch

Zitierempfehlung: Eberhard von Rohrdorf, in: Biographia Cisterciensis (Cistercian Biography), Version vom 22.12.2020, URL: http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Eberhard_von_Rohrdorf

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