Johannes von Toledo

Johannes von Toledo

Johannes von Toledo

1. Abt der Zisterzienserabtei L’Épau 1229–1244; Kardinal

† 13. Juli 1275 San Germano (heute Cassino), Latium

Johannes von Toledo war nach dem Historiographen Matthäus Paris und dem Annalisten von Winchester englischer Herkunft. Möglicherweise erhielt er seinen Beinamen aufgrund seines Aufenthalts an den Schulen von Toledo, die im frühen dreizehnten Jahrhundert von englischen Studenten besucht wurden. Paris berichtet auch, dass Johann Leibarzt Papst Innozenz’ IV. war; im Nekrolog von Santa Giuliana in Perugia, einem von Kardinal Johannes gegründeten Nonnenkloster, wird er jedoch als Theologe bezeichnet.

Johanns Leben liegt im Dunkeln bis zu seiner Ernennung zum ersten Abt von L’Épau in der Grafschaft Maine, das 1228 von Königin Berengaria, der Witwe Richards I. Löwenherz, gegründet wurde. L’Épau erhielt seine ersten Mönche 1229 aus Cîteaux, so dass Johannes vermutlich im Mutterhaus den Zisterzienserhabit erhalten hatte. Im Frühjahr 1241 war er in die Katastrophe verwickelt, die mehrere Prälaten – Bischöfe und Äbte, darunter die von Cluny und Clairvaux, sowie drei päpstliche Kardinallegaten – auf dem Weg zum allgemeinen Konzil ereilte: Sie wurden von der pisanischen Flotte auf Anweisung von Kaiser Friedrich II. abgefangen und verhaftet (Seeschlacht von Giglio, 3. Mai 1241). Zusammen mit den Äbten von Cîteaux und Clairvaux wurde Johannes in Pisa und später in Tivoli und San Germano eingekerkert. Nach seiner Freilassung 1243 begab er sich an die päpstliche Kurie, wo er von Innozenz IV. zurückgehalten wurde. Nachdem er sein Amt als Abt niedergelegt hatte, wurde er am 28. Mai 1244 zum Kardinalpriester mit dem Titel San Lorenzo-in-Lucina ernannt. Im Sommer desselben Jahres begleitete er mit anderen Kardinälen Papst Innozenz bei dessen Flucht vor Kaiser Friedrich II. aus Italien nach Lyon. Dort blieb er bis zur Rückkehr der Kurie nach Rom 1251.

Mehr als dreißig Jahre lang hatte Johannes von Toledo eine einflussreiche Position an der Kurie inne und wurde von seinen Landsleuten und dem Zisterzienserorden ständig als Vermittler zur päpstlichen Gunst genutzt. Zahlreiche englische Geistliche, die in seinem Haushalt als Kapläne tätig waren, erlangten durch seine Vermittlung bedeutende Pfründen und hohe Ämter in der englischen Kirche, u.a. Richard von Gravesend, der spätere Bischof von Lincoln.

Für die Zisterzienser wirkte Johannes von Toledo, der wie die meisten Zisterzienserkardinäle nach seinem Ordenshabit als „Weißer Kardinal“ bekannt war, als Kardinalprotektor des Ordens an der päpstlichen Kurie, wenn er auch nicht den offiziellen Titel trug. Seine Rolle wurde vom Generalkapitel der Zisterzienser anerkannt, das bei seiner Erhebung in den Kardinalsstand 1244 jedem Priester des Ordens befahl, eine Messe für ihn zu lesen, und später verfügte, dass sein Gedenktag auf ewig begangen werden sollte. 1245 nahm Johannes persönlich an einer Sitzung des Generalkapitels teil und legte ein Inspeximus für alle päpstlichen Privilegien des Ordens vor.[1] Er unterstützte die Pläne seines Landsmannes Stephan von Lexington, Abt von Clairvaux, ein Studiensystem für den Orden einzuführen, an dessen Spitze ein Kolleg für Mönche stehen sollte, die an der Universität von Paris Theologie studierten. Der Kapitelsakt von 1245, der Theologieschulen für Mönche in allen Provinzen anordnete, wurde ausdrücklich auf päpstlichen Befehl und auf Anraten von Kardinal Johannes erlassen, und die Billigung der Privilegien für das neue Kolleg zeigt, dass er das Vorhaben aktiv unterstützte. Er war auch ein aufgeklärter Mäzen und Wohltäter der Ordensfrauen. In Rom errichtete er ein neues Zisterzienserkloster für ehemalige Prostituierte in San Pancrazio am Gianicolo und gründete und stiftete Zisterzienserinnenklöster in Perugia und Viterbo.

Auch auf dem politischen Parkett war Kardinal Johannes tätig. Während der Pontifikate Innozenz’ IV. und Alexanders IV. bildete er den Kern einer pro-englischen Gruppe von Kardinälen an der römischen Kurie, die zum Ziel hatte, die Ambitionen des englischen Königshauses in Italien als Gegengewicht zu den kaiserlichen Ansprüchen der Staufer zu fördern. Bei zwei Gelegenheiten erwies er dem englischen Hof wichtige politische Dienste: 1261, als Heinrich III. versuchte, den ihm durch die Bestimmungen von Oxford[2] auferlegten Baronialrat loszuwerden, unterstützte er die königlichen Prokuratoren dabei, die Entbindung des Königs von seinem Eid auf die Bestimmungen von Oxford zu erreichen. Er befürwortete das Angebot der sizilianischen Krone an Heinrichs Sohn Edmund und unterstützte Heinrichs Bruder Richard von Cornwall tatkräftig bei dessen Wahl zum römischen Kaiser während des Interregnums 1257. Im Frühjahr 1261 setzte er all seine Kräfte ein, um die Wahl des Richards in den Senat von Rom zu erreichen, leerte seine Schatzkammer und verschenkte sein Haushaltssilber, wie er traurig schrieb, für Richard. Im Bestreben, den Ansprüchen des Königs Manfred von Sizilien, dem staufischen Kandidaten für das Senatorenamt, zuvorzukommen, schrieb Kardinal Johann an Richard und forderte ihn auf, nach Rom zu eilen, wenn er die Kaiserkrone tragen wolle.

Der Tod Papst Alexanders IV. am 25. Mai desselben Jahres und die Wahl des französischen Kardinals Jean Pantaleone zu Papst Urban IV. beendeten diese Hoffnungen. Urban wandte sich an Frankreich, um Unterstützung gegen die Staufer zu erhalten. Johannes von Toledo wurde am 24. Dezember 1261 von Papst Alexander zum Kardinalbischof von Porto ernannt, doch war sein politischer Einfluss während des folgenden Pontifikats war stark geschwächt. Er setzte sich jedoch weiterhin für die Interessen der Zisterzienser ein, an deren Generalkapitel 1273 er persönlich teilnahm. Er starb am 13. Juli 1275 in San Germano und wurde wahrscheinlich in der Kirche San Lorenzo in Lucina in Rom beigesetzt.

Abgesehen von einigen seiner Briefe ist kein literarisches Werk mit Sicherheit Johannes zuzuordnen. Medizinische Abhandlungen, die ihm in spätmittelalterlichen Kopien zugeschrieben werden, darunter ein Liber de sanitate corporis und eine kurze Abhandlung De pleurisi, sowie ein astrologischer Brief, sind wahrscheinlich das Werk von Johannes Hispalensis, einem früheren medizinischen Gelehrten, der nach seinem Geburtsort auch als Johannes von Toledo bekannt war.

gge, Feb. 2023

  1. Ein Inspeximus ist eine Urkunde, die mit dem lateinischen Wort Inspeximus („Wir haben nachgeprüft“) beginnt. In der Urkunde wird erklärt, dass eine frühere Urkunde oder ein früheres Patent, das hier zitiert oder zusammengefasst wird, geprüft und seine Gültigkeit bestätigt wurde (Dictionary of English Manuscript Terminology 1450–2000).
  2. Die Bestimmungen von Oxford bzw. Provisionen von Oxford vom Juni 1258 (und die Provisionen von Westminster von 1259) waren ein Reformprogramm, das dem englischen Hochadel weitgehende Rechte gegenüber dem König und in der Kontrolle der Verwaltung Englands einräumte.

Literatur:

C. H. Lawrence: Toledo, John of (d. 1275), in: Oxford Dictionary of National Biography, from the earliest times to the year 2000 (ODNB). Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-861411-X. · Gebert, Björn: Außerordentlich: Johann von Toledo OCist und seine Kontakte zu Kartäusern und anderen Ordensleuten. Ein Beitrag zur Beziehung zwischen Kartäuserorden und Kurie im 13. Jahrhundert, in: Hermann Josef Roth (Hg.), Die Kartäuser im Blickpunkt der Wissenschaften. 35 Jahre internationale Treffen 23.–25. Mai 2014 in der ehemaligen Kölner Kartause (Analecta Cartusiana 310), Salzburg 2015, S. 113–122, hier S. 115f.

Zitierempfehlung: Johannes von Toledo, in: Biographia Cisterciensis (Cistercian Biography), Version vom 4.02.2023, URL: http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Johannes_von_Toledo

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