Primisser, Kassian

Kassian Primisser

Kassian Primisser

Archivar und Bibliothekar des Zisterzienserstiftes Stams

* 14. April 1735 Agums bei Prad im Vinschgau, Südtirol
† 19. Dez. 1771 Stams, Nordtirol

Kassian Primisser, Taufname Karl, wurde 1735 in Agums bei Prad (Prata) am Stilfserjoch als eines der acht Kinder von Anton Primisser und Barbara, geborene Reisigl, geboren.[1] Die Primissers lebten in einfachen Verhältnissen; der Vater übte den Beruf eines Webers aus und übernahm 1726 als väterliches Erbe den Viertelhof Steinhaus in Prad.

Mit finanzieller Unterstützung von Förderern konnte der Sohn Karl das Benediktinergymnasium in Meran besuchen, wo bald der auf ihn aufmerksam gemachte Abt Roger Sailer vom Stift Stams für seinen Unterhalt sorgte. Besonders beschäftigte er sich dort mit Geschichte und Geographie und fertigte noch während seiner Schulzeit eine geographische Karte des Landes Tirol an, die Ignaz de Luca in seinem Werk Literatur und Statistik von Tirol (Innsbruck, 1782, Band 1, S. 136) lobend erwähnt.

Nach der Matura schrieb er sich an der Universität Innsbruck ein. Dort war er auch als Repetitor tätig. Als eine Art Bewerbungsschrift für seine Aufnahme in das Stift Stams verfasste er auf Anforderung des Abtes Roger Sailer eine kurze Dogmatik. Unter der Anleitung Ignaz Weitenauers SJ vollendete er seine in Meran begonnene Karte und bereiste zu diesem Zweck das Vintschgau, Bozen, Brixen und das Wipptal. Die Karte führte er selbst mit der Feder aus. Sie erschien unter dem Titel: Principalis Comitatus Tyrolis. Gefürstete Grafschaft Tirol, eingetheilt und gezeichnet von Venon Brader, 1754.

Unterstützt vom Innsbrucker Gubernialratspräsidenten Graf Enzenberg, dessen Namen Kassian er als Ordensnamen annahm, wurde er am 21. September 1755 als Novize eingekleidet. Sein Novizenmeister war der spätere Abt Vigilius Kranicher. Noch während seines Noviziats fertigte er eine Psalmenübersetzung an und übertrug die Ordensannalen des spanischen Zisterziensers Angelus Manrique vom Anbeginn des Ordens bis zur Gründung des Klosters Stams 1272 in einem kurzen Abriss ins Deutsche. Am 21. September 1756 legte er die Profess ab und wurde am 22. September 1759 zum priester geweiht.

Noch als Frater beschäftigte er sich, nachdem er in der Universitätsbibliothek Innsbruck die Kenntnisse dazu erworben hatte, mit der Bibliothek der Abtei, fertigte einen 20.000 Bücher umfassenden Katalog darüber an und wurde 1762/63 von Abt Roger, dem er auch als Sekretär diente, mit der Aufsicht über die Bibliothek und das Archiv betraut. Dieses war von den 1752 in Tirol eingefallenen Truppen des Herzogs Moritz von Sachsen vollkommen verwüstet worden. Daneben war er als Hausprofessor für Philosophie tätig. Mit Hilfe des ihm dazu zugeteilten P. Stanislaus Freysing ordnete er das Archiv und verfasste bis zum 24. Februar 1765 ein zwölfbändiges Verzeichnis der Archivalien. Dazu kopierte er mit eigener Hand viele wertvolle Urkunden aus verschiedenen Jahrhunderten, die ihm u.a. aus dem Brixener Kapitelsarchiv oder dem Archiv des Chorherrenstiftes Neustift zur Verfügung gestellt worden waren. Aus dem erzherzoglichen Haus- und Hofarchiv in Innsbruck hob er die dreizehn Folianten des tirolischen Kanzlers Matthias Burglechner (1578–1642) und exzerpierte sie. 1766 begann Primisser mit der Abfassung der sechsbändigen Stamser Annalen (Annales Stamsenses) und ergänzte sie mit neun weiteren Bänden Additiones ad Annales Stamsenses. 1771 hatte er sie in drei Teilen bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts fertiggestellt, als ihn im selben Jahr der Tod ereilte.

Der erste Teil der Annalen enthält in 30 Kapiteln die Geschichte der Gründung von Stams, der Äbte in chronologischer Reihenfolge und die wichtigsten Ereignisse im Land Tirol. Der zweite Teil enthält die mehr als 500 dazugehörigen Urkunden und viele genealogische Tabellen. Der dritte Teil, ebenfalls in 50 Kapitel untergliedert, enthält auch Indices und Register verschiedener Art.

Neben seiner archivalischen und wissenschaftlichen Tätigkeit beschäftigte sich Primisser auch mit Poesie und war dem Kloster durch seine breiten mathematischen und geometrischen Kenntnisse bei Grenzstreitigkeiten, über Jagdbarkeiten und dergleichen mehr von großem Nutzen.

Er starb am 19. Dezember 1771, 36 Jahre alt, auf der Krankenstation des Klosters „an der Engbrüstigkeit“. Er wurde auf dem Klosterfriedhof bestattet. Abt Augustin Handle ließ ihm später in der Friedhofskapelle einen Gedenkstein setzten. Von seinen vielen Schriften erschienen nur De dificillimo genere epistolarum (Augsburg und Freiburg 1756 und Rythmus In Laudem Ven. Patris Joannis Campidonensis (Innsbruck: Wagner, 1766) im Druck.

gge, März 2020

  1. Der Museumsfachmann Johann Baptist Primisser (1739–1815) war sein Bruder, Alois Primisser sein Neffe.

Daten:

Vest.: 21. Sep. 1758; Prof.: 21. Sep. 1759; Sac.: 22. Sep. 1759; Prim.: 21. Okt. 1759.

Werke:

Systema theologiae, 1754/1755 · Rythmus In Laudem Ven. Patris Joannis Campidonensis Sacerdotis Et Monachi Ordinis Cisterciensis Et Monasterii Stamsensis, Adversionibus Historicis Explicatus. Innsbruck: Wagner, 1766 · Annales Stamsenses. VI tomis usque ad annum 1703 · Additiones. IX tomi, nebst Register darüber · „Diarium 1704–1766. II tomi · Notitia Stamsii compendiaria · Scripta, philosophica · Theologia dogmatica, specialis, moralis. 246 Theses · Scripturistica veteris et novi Testamenti · Alphabetum universale ex variis Sententiis selectum · Psalmi Davidici per textus ex S. Bernardo explicati · Eruditio historica de Virtutibus et Vitiis ect. · Quodlibet et Miscellanea · Notata varia · Eloquentiae compendium · Compendium et notata grammaticalia in linguam latinam, graecam et rhaeticam · Pia scripta in usum privatum · Fürstliche Grabstätte in Stams · Das Hauptschloß Tirol · Itinerarium ad Athesin, 1765 · Poetische Versuche · Inscriptiones Abbatum usque ad Abbatem Vigilium · Tabelle der Jahrtage des Cisterzienserordens. Geschlechtsordnung der Begrabenen in der Gruft, Kärtchen u. s. w. · Stammbaum der Cisterzienserklöster · Praenotata in III. partem Annalium · Tirolis topographica cum notis de familiis nobilibus · Der Stammbaum des Stifters und der Stifterin, bis auf die Kaiserin Maria Theresia.

Literatur:

Bergmann, Joseph: Die fünf gelehrten Primisser, Pichler, Wien 1861, S. 4–26 · Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 23. Theil. Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1872, S. 302–304 · Lindner, Pirmin: Album Stamsense, S. 61ff.

Normdaten:

GND: 141527013 · BEACON-Findbuch

Zitierempfehlung: Primisser, Kassian, in: Biographia Cisterciensis (Cistercian Biography), Version vom 9.12.2020, URL: http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Primisser,_Kassian

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