Winistörfer, Urban

Urban Winistörfer

Urban Winistörfer

Zisterzienser der Abtei St. Urban; Cellerar, Bibliothekar, Professor und Lokalhistoriker

* 22. Feb. 1789 Klus, Balsthal, Kanton Solothurn
† 25. Sep. 1859 Kloster Mariastein, Kanton Solothurn

P. Urban Winistörfer, Taufname Jost, von Winistorf, Kt. Solothurn, wurde geboren in der äußeren Klus bei Balsthal, Kt. Solothurn, wo sein aus Winistorf stammender Vater die Löwenwirtschaft und eine eigene Landwirtschaft betrieb. Nachdem er seinen Vorbereitungsunterricht in der von dem Geistlichen Urs Joseph Brotschi betriebenen Privatschule in Oberdorf erhalten hatte, kam er im Herbst 1807 auf das Kollegium Solothurn. Zugleich war er Hauslehrer in geachteten Familien. Im Herbst 1813 trat er in das Priesterseminar in Würzburg ein und hörte Vorlesungen an der Universität. Am 25. Juli 1814 zum Priester geweiht, trat er im Herbst des Jahres in die nach den Stürmen der Helvetik und Mediation neu aufblühende Zisterzienserabtei St. Urban ein, wo er am Neujahrstag 1816 die feierliche Profess ablegte.[1]

Schon während seines Noviziats und nachher über zwanzig Jahre wirkte er als Professor; seinen jüngeren Mitbrüdern lehrte er abwechselnd Philosophie, Physik und Theologie, und unterrichtete am 1821 von Abt Friedrich Pfluger gegründeten Klostergymnasium klassische Sprachen, Geographie, Geschichte und Mathematik. Daneben war er Bibliothekar und Kustos der physikalischen Sammlung und der Naturaliensammlung, und Aushilfsseelsorger und Frühmesser in St. Urban und Pfaffnau. Er befasste sich mit Numismatik und vergößerte in Zusammenarbeit mit dem bekannten Numismatiker Franz Ludwig Haller von Königsfelden, der sich jährlich einige Wochen im Kloster ausfhielt, die Münzsammlung des Klosters. Auch die physikalische und mathematische Sammlung vermehrte er durch Zukäufe. Die Schulbibliothek begründete er neu und baute die in der Revolutionszeit sehr in Mitleidenschaft gezogene Klosterbibliothek mit 4000 Neuerwerbungen neu auf. 1832 zusätzlich zum Großkellner (Cellerar) bestellt, war er für die wirtschaftlichen Erfordernisse eines 150 Personen umfassenden Haushalts zuständig und führte die Aufsicht über die ausgedehnte Forst- und Landwirtschaft des Klosters. Als 1841 das Kantonallehrerseminar nach St. Urban verlegt wurde, ließ er die notwendigen Gebäude errichten und lehrte selbst Geometrie.

Als das Kloster nach dem Sonderbundskrieg, in dem es durch Einquartierungen hohe Lasten zu tragen gehabt hatte, von der Regierung aufgehoben wurde, musste Winistörfer als Großkellner an der Inventarisierung durch die Aufhebungskommission mitwirken. Er ging dann zu seinem Bruder nach Balsthal, später zu seinem Neffen nach Solothurn. Die Hoffnung auf eine Wiederherstellung des Klosters gab er bis zu seinem Lebensende nicht auf.

Wie schon während seiner Zeit im Kloster beschäftigte er sich auch in seinen letzten zehn Lebensjahren mit der Schweizer Regional- und Landesgeschichte. Schon am 1. Oktober 1840, noch als Großkellner, war er Mitbegründer der Allgemeinen Geschichtsforschenden Gesellschaft der Schweiz gewesen, deren ständiger Vizepräsident er 1854 wurde. 1855 wurde er Mitglied der dreiköpfigen Planungskommission zur Herausgabe des (von ihm initiierten) Urkundenregisters der Schweiz, führte zu diesem Zweck Korrespondenzen in alle Richtungen und erfasste selbst mehrere Archive. 1851 gründete er den Geschichtsforschenden Verein Solothurn, den er bis zu seinem Tod leitete, mit der Vereinszeitschrift Urkundio. Mehrere Beitrage verfasste er zu Egbert Friedrich von Mülinens Helvetia Sacra, außerdem eine Geschichte der Grafen von Froburg und Beiträge über das Solothurner Ursenmünster in den Neujahrsblättern 1853 bis 1856 des Solothurners Kunstvereins, dessen Mitbegründer und mehrjähriger Präsident er war. 1850 reiste er zu Forschungszwecken drei Wochen nach München, 1852 durch Italien (Mailand, Florenz, Rom, Neapel, Venedig).

Die Bewilligung der Mittel zur Ausführung des Schweizer Urkundenregisters erlebte er nicht mehr.[2] An der damals in Solothurn grassierenden Ruhr erkrankt, starb er 1859 auf der Reise von Freiburg im Breisgau nach Basel im Kloster Mariastein und wurde auch dort bestattet.

gge, Dez. 2022

  1. Er war der erste Novize, der nach der lange versagten, erst 1814 gewährten Novizenaufnahme ins Kloster eintrat und erhielt vermutlich deshalb den bedeutsamen Klosternamen Urban.
  2. Es wurde in den Jahren 1863 bis 1877 in drei Bänden von Basilius Hidber herausgegeben.

Daten:

Sac.: 25. Juli 1814; Prof.: 1. Jan. 1816.

Werke:

Die Grafen von Froburg, in: Urkundio, Bd. II. Solothurn, 1863, S.185ff. · Beschreibung des alten St. Ursenmünsters zu Solothurn, 1855 (Neujahrsblatt des Kunstvereins von Solothurn ; 3).

Literatur:

Fiala, Friedrich: P. Urban Winistörfer : Ein Gedenkblatt für seine Freunde und Verehrer. Solothurn: Schwendimann, 1860 · Schweizerische Kirchenzeitung, Jahrgang 1859, Nr. 86 und 87, S. 435ff. · Geschichtsfreund, Band XVI, 1860, S. 11.

Normdaten:

GND: 1089633068 · BEACON-Findbuch

Zitierempfehlung: Winistörfer, Urban, in: Biographia Cisterciensis (Cistercian Biography), Version vom 27.12.2022, URL: http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Winist%C3%B6rfer,_Urban

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