Raimondo Besozzi
Abt von Santa Croce in Gerusalemme, Rom, 1743–1772
* 1704 (errechnet) wahrscheinlich in Mailand
† Juli 1772 Rom
Das genaue Geburts- und Todesdatum des Abtes wird von den bislang zugänglichen Quellen nicht überliefert. Besozzi entstammte einer Mailänder adeligen Großfamilie, aus der Giovanni Pietro Besozzi (1503–1584) der bekannteste wurde, nachdem er als Mailänder Jurist im Einvernehmen mit seiner Ehefrau 1542 bei der neuen Ordenskongregation S. Paolo (genannt „Barnabiten“) eingetreten und dort bis zum Generaloberen aufgestiegen war (vgl. Boffito, Prosperi). Der spätere Zisterzienserabt, Sohn eines Giovanni Besozzi und der Antonia Maddalena Besozzi, hatte mehrere Geschwister, von denen drei Ordensfrauen wurden und der Bruder Cherubino Besozzi Abt der Olivetanermönche in Pavia (Lombardei), während der Bruder Filippo Besozzi die Familientradition fortsetzte (mit Familie und Nachkommen; vgl. Giulini). Über Raimondos Ordenseintritt, die Studien und frühen Jahre im Zisterzienserorden wurden noch keine Daten ermittelt. Im Jahre 1743 wurde Besozzi zum Abt von Santa Croce in Gerusalemme in Rom gewählt und behielt dieses Amt bis zu seinem Tod. Auch für diese Amtszeit fehlen in der zugänglichen Überlieferung detaillierte Angaben.
Unter den verschiedenen kirchlich-politischen Strömungen im päpstlichen Rom zur Zeit Benedikts XIV. zählte Besozzi zu den Gemäßigten, entsprechend der vom Papst selbst vertretenen Richtung. Besozzi widmete diesem Papst sein bis heute nicht ersetztes Buch über die Geschichte der Abtei S. Croce (mit päpstlichem Wappen und Dedikationsschreiben im gedruckten Exemplar). Das Werk selber trägt die Züge der abwägenden Gelehrtenwerke seiner Zeit, noch ohne die spätere kritische Methode der Historiker etwa bei der Behandlung altchristlicher und teilweise legendärer Überlieferungen, die auch in der Geschichte von S. Croce begegnen. Vor allem preist Besozzi die unter Benedikt XIV. 1741 begonnenen und während Besozzis eigener Amtszeit 1744 beendeten Restaurationsarbeiten an Santa Croce, der früheren Titelkirche des gleichen Papstes. Die starken Veränderungen der romanischen Bausubstanz dieser Kirche sowohl außen (spätbarocke Vorhalle, statt des mittelalterlichen Portikus) als auch im Innern (Einmauerung der alten Säulen, neue Decke und barocker Hauptaltar mit Stuckdekoration im Chor) beschreibt Besozzi fast panegyrisch als Erweis neuer Pracht unter Benedikt XIV.
Im Jahre 1752 ernannte Papst Benedikt XIV. den Abt zum Gutachter und Berater (Konsultor) der römischen Kongregation der Inquisition (17. März), und wenige Tage später leistete er in Rom den Amtseid zu diesem Amt (22. März; vgl. Quellen; Schwedt). In den ersten Jahren lassen sich für Besozzi noch keine schriftlichen Stellungnahmen zu verhandelten Angelegenheiten dieser Kongregation nachweisen, außer der bloßen Teilnahme an den Sitzungen und Diskussionen vor den Abstimmungen. Anfang 1756 genehmigte die Kongregation, dass Besozzi für sein Aktenstudium zur Vorbereitung dieser Sitzungen und zur Anfertigung von Gutachten den Zisterzienser Dario Marinoni als Assistenten („adiutor studiorum“) hinzuziehen könne (dessen Amtseid am 27. Januar 1756, vgl. Quellen, Schwedt).
In den folgenden Jahren nahm Besozzi mehrfach in schriftlicher Form für die Inquisitionskongregation Stellung zu Fragen der Bücherzensur (Gutachten), darunter in den Jahren 1759 bis 1769 zu etwa sieben Werken und weiteren sechs Thesenblättern. Bei letzteren handelt es sich um akademische Disputationen und Prüfungstexte (Thesen) des Bischöflichen Seminars in Passau aus der Zeit des aufgeklärten Fürstbischofs Leopold Ernst von Firmian. Unter den von Besozzi (neben mehreren anderen römischen Zensoren) begutachteten Werken ist das bekannteste die vielbändige Encyclopédie von Denis Diderot, Hauptwerk der französischen Aufklärung, deren Verurteilung in Rom ab 1755 erfolgte. Weniger bekannt ist das pastoraltheologische Werk Pastor bonus des Löwener Theologen Johannes Opstraet, der als Sympathisant der Jansenisten galt und dessen verschiedene Werke in Rom verboten wurden, auch der Pastor bonus, und zwar nach Begutachtung durch Besozzi. Unter den italienischen Autoren begutachtete Besozzi das vielfach anstößige philosophisch-moralische Buch L’uomo des adeligen Mailänder Dramendichters und politischen Schriftstellers G. Gorini Corio, das daraufhin im Juli 1759 in Rom verboten wurde.
Die römische Zeitung Diario ordinario meldete am 4. Juli 1772, dass der Zisterzienserabt von S. Croce in Gerusalemme, Raimondo Besozzi, im Alter von 68 Jahren soeben verstorben sei (Taschenformat-Druck des Diario Nr. 8384, Seite 20).
Herman H. Schwedt, Feb. 2014
Unveröffentlichte Quellen:
Archivio Segreto Vaticano, Memoriali e biglietti vol. 192 [ohne Blattnummer: Vermerk über die Ernennung zum Konsultor der Inquisition]. Archivio Congregazione per la Dottrina della Fede, Decreta S. Officii 1752, Bl. 97v [Vereidigung Besozzis]; ebd. S. Officium, Extensorum 1680-1707, St.St. Q-l-p, Bl. 96v [Vereidigung von D. Marinoni als adiutor Besozzis].Werke:
La storia della basilica di Santa Croce in Gerusalemme. In Roma : per Generoso Salomoni alla piazza di s. Ignazio, l'anno del Giubileo 1750 ([7], XII, 222 Seiten) [Digitalisat].Literatur:
Boffito, Giuseppe: Scrittori barnabiti o della Congregazione dei chierici regolari di San Paolo (1533–1933). Biografia, bibliografia, iconografia. Firenze 1933–1937, vol. 1, 202 [zu Giovanni Pietro Besozzi] · Giulini, Alessandro: Appunti storici sulla nobile famiglia Besozzi (linee estinte), in : Giornale araldico-genealogico-diplomatico italiano 26, nuova serie 7, 1898, S. 71–81 [mit Tafel V] · Mazzuchelli, Giammaria: Gli scrittori d‘Italia. Brescia : Giambattista Bossini 1753–1763, vol. II/2, S. 1086 · Meschini, Stefano: Giuseppe Gorini Corio, in: Dizionario Biografico Italiano vol. 58, 2002 [Konflikte um die Werke von Gorini Corio] · Pastor, Ludwig von: Geschichte der Päpste. Freiburg Br. 1931, Bd. 16/1, S. 115 · Prosperi, Adriano: Giovanni Pietro Besozzi, in: Dizionario Biografico Italiano vol. 9, 1967, S. 840–844 · Schwedt, Herman H. (unter Mitarbeit von Thomas Lagatz): Prosopographie von Römischer Inquisition und Indexkongregation 1700-1814. Paderborn 2010, hrsg. v. H. Wolf, Bd. 1, S. 160–162 (Quellen und Literatur) · Diario ordinario [römische Zeitung im Taschenformat], Ausgabe Nr.8384 vom 4. Juli 1772, S. 20 [Meldung über Besozzis Tod, der vermutlich wenige Tage vorher erfolgt war], nach: Diario ordinario, Sunto di notizie e indici vol. 2 (1751–1776) S. 2.Vorlage:Page.name: BESOZZI, Raimondo OCist (1704–1772) – Biographia Cisterciensis