Bibliothek:Nachruf Heinrich Grünbeck

Florian Watzl: Heinrich Grünbeck. Abt von Heiligenkreuz-Neukloster †. CistC 14 (1902) 111–114.

Heinrich Grünbeck. Abt von Heiligenkreuz-Neukloster †

|[111]Wie wir bereits in der 1. Nummer l. J. der Cistercienser-Chronik mittheilten, verschied am 1. Jänner 1902 der Abt Heinrich Grünbeck von Heiligenkreuz.

Anton Grünbeck wurde am 24. November 1818 zu Wien als Sohn einer wohlhabenden Bürgersfamilie geboren. Nachdem er die Studien in seiner Vaterstadt beendet hatte, trat er am 7. October 1839 als letzter Novize, der während der Regierung des Abtes Xaver Seidemann eingekleidet wurde, unter dem Namen Heinrich ins Kloster. An der hiesigen theologischen Hauslehranstalt vollendete er seine theologischen Studien mit ausgezeichnetem Erfolge und legte am 1. November 1843 die feierlichen Gelübde in die Hände des Abtes Edmund Komáromy ab.

Nachdem er am 4. August 1844 sein erstes hl. Messopfer gefeiert hatte, übernahm er in den Monaten November und December 1844 während der Todeskrankheit des damaligen Pfarrverwesers P. Malachias Koll die provisorische Leitung der Pfarre Münchendorf und wirkte hierauf 1845–1849 als Cooperator in Alland. Ins Stift zurückberufen war er 1849–1855 als Bibliothekar, Kellermeister und äbtlicher Secretär thätig. 1855–1861 administrierte er die Pfarre Sulz, wo ihm seine Pfarrkinder mit größter Hochschätzung entgegenkamen und ihn nur ungern aus ihrer Mitte scheiden ließen, als ihn sein Abt ins Kloster berief, wo er nacheinander 1861–1879 die Stellen eines Subpriors, Kastners, Küchenmeisters und Kämmerers bekleidete. Nach dem Tode des Abtes Edmund († 10. April 1877) wurde ihm zugleich mit dem damaligen Prior P. Emanuel Weiniger und dem Pfarrer von Alland P. Florian Erritz die Temporalienverwaltung der verwaisten Abtei übertragen. Bereits am 10. October 1877 entriss der Tod dem Stifte auch den Prior P. Emanuel, und nun ward auch die Spiritualleitung des Klosters in seine Hand gelegt, die er durch mehr als fünf Vierteljahre führte.

Es war eine schwierige Zeit, in welcher er mit der provisorischen Leitung des Stiftes betraut war. Nach dem Tode des Abtes Edmund trat nämlich die ungarische Regierung, indem sie die Consequenzen aus dem Jahre 1867 zog, mit dem Grundsatze hervor, dass kein Abt eines österreichischen Klosters zugleich Abt eines ungarischen Stiftes sein könne. Infolgedessen wurde die Frage der Lostrennung der Abtei St. Gotthard in Ungarn von Heiligenkreuz, |[112]trotzdem beide 1734 durch Kaiser Karl VI. „für immerwährende Zeiten“ vereinigt worden waren, und letzteres im XVIII Jahrhundert so große finanzielle Opfer gebracht hatte, aufgerollt. Trotz aller Gegenbemühungen von Seite der Adminstration des Stiftes wurde die endgiltige Trennung der beiden Abteien 1878 durchgeführt und St. Gotthard mit Zircz vereinigt. Nachdem diese Frage gelöst war, konnte endlich nach fast zweijähriger Sedisvacanz die Wahl eines neuen Abtes stattfinden. An derselben betheiligten sich am 19. Februar 1879 36 wahlberechtigte Conventualen, welche mit Stimmenmehrheit P. Heinrich Grünbeck zum 61. Vorstand des Hauses erkoren.

War während des Interregnums eine Infel für Heiligenkreuz verloren gegangen, so wurde von Abt Heinrich eine andere erworben, indem das 1449 von Friedrich III gestiftete Neukloster (ad Ss. Trinitatem) in Wiener-Neustadt, das sich in schwerer finanzieller Nothlage befand, an denselben mit dem Ansuchen einer Vereinigung beider Abteien herantrat. Nachdem der letzte selbständige Abt des Neuklosters Benedikt II Steiger freiwillig resigniert hatte, wurde mit Genehmigung des apostolischen Stuhles und Sr. Majestät des Kaisers am 16. December 1881 die Vereinigung beider Abteien durchgeführt. Obwohl dieselbe dem Stifte neue Lasten auferlegte und dasselbe durch verschiedene Unglücksfälle (z. B. Brand der Kunstmühle in Trumau, Verwüstung sämmtlicher stiftlicher Weingärten durch die Reblaus etc.) hart mitgenommen wurde, konnte dennoch Abt Heinrich an ein Werk gehen, wie es seit Jahrhunderten keiner seiner Vorfahren in so großartiger Weise unternommen hatte, an die Restaurierung beinahe sämmtlicher Bauten des Klosters, ein Werk, das ihm für immer einen der ersten Plätze unter den äbtlichen Bauherrn sichern wird.

Bereits sein Vorgänger Abt Edmund Komáromy hatte mit dem Abschlagen und der stilgemäßen Wiederherstellung der übertünchten und barockisierten Abteikirche begonnen. Schon in dieser Periode gebürt dem damaligen Kämmerer P. Heinrich Grünbeck ein gewisser Antheil an den Restaurationsarbeiten, deren Oberaufsicht er in seiner Eigenschaft als Bauinspector leitete. Die alten Glasgemälde des Kirchenchores wurden damals, soweit sie beschädigt waren, ergänzt, das große gothische Hauptfenster and er Ostwand des Chores ganz neu angefertigt, nachdem der Aufsatz des barocken Hochaltares, der den vermauerten Raum desselben bisher verdeckt hatte, abgetragen worden war, der Musikchor für die kleine Orgel neu aufgeführt und die Dormitoriumstiege unter demselben erbaut.

Nachdem Abt Heinrich die Zügel der Regierung des Hauses ergriffen hatte, kam in die Restaurationsarbeiten ein noch höherer Schwung. Zunächst verdankt die Abteikirche seinem Kunstsinn die jetzige innere Einrichtung. Nachdem die schadhaften Pfeiler des langhauses ausgebessert waren, wurde 1885 die jetzige Kanzel nach den Plänen des Architekten Dominik Avanzo in Wien, der auch den größten Theil der späteren Restaurierungsarbeiten leitete, aus Grisignano- und Savonierstein aufgeführt. 1886 wurden die Vorarbeiten für den Bau eines neuen Hochaltars begonnen, der im Jahre 1887 aufgestellt wurde. Der Unterbau desselben wurde aus Oberalmer-Marmor hergestellt, auf demselben ruht das aus Goldbronze gefertigte und mit Cartons, welche Scenen aus dem Leben Mariae darstellen, gezierte Retabel; darüber erhebt sich der imposante Baldachin, welcher sich auf schlanke Marmorsäulen, die Mosaikeinlagen tragen, stützt, und die Gruppe der Krönung der Jungfrau durch die Dreifaltigkeit zeigt. Die Gesammtwirkung erhöht die mit einem hohen schmiedeeisernen Gitter versehene Chorschranke und die Session, in deren Hintergrunde der Thronbaldachin mit dem aus der Wende des XV/XVI Jahrhunderts stammenden Gobelin des bekannten Humanisten Johannes Fuchsmagen sich erhebt.

|[113]1890 wurden die 4 westlichen Seitenaltäre zu beiden Seiten des Hochaltares zu Ehren der hl. Josef, Stephan, Benedict und Leopold aus Stein, in gothischer Architektur reich durchgebildet, aufgestellt, 1894 endlich aus Anlass der Secundiz des greisen Abtes die Innenrestauration der Kirche vollendet, indem an der Ostfronte derselben die noch fehlenden 3 Altäre aufgeführt wurden: in der Mitte des Chorabschlusses der aus Breitenbrunnerstein gearbeitete Kreuzaltar mit polychromierten lebensgroßen Statuen der Jungfrau und des Lieblingsjüngers neben dem Gekreuzigten, zu beiden Seiten die aus Goldbronze gefertigten Altäre der hl. Maria und des hl. Bernhard mit den überlebensgroßen Figuren der genannten Heiligen, zu deren beiden Seiten je 2 Hautreliefbilder Scenen aus ihrem Leben darstellen. An den Außenseiten der Kirche wurden die Strebepfeiler ausgebessert und noch im letzten Jahre die Westfronte restauriert.

Im Kreuzgange wurden die Arbeiten 1884 begonnen. Das Portal, das aus dem südlichen Seitenschiffe der Kirche in den Kreuzgang führt, ward freigelegt, das Brunnenhaus einer vollständigen Restauration unterzogen, die daselbst befindlichen Glasgemälde nach unten prolongiert, die fehlenden Felder ergänzt und die vier zu beiden Seiten des Einganges befindlichen Fenster mit neuen Glasgemälden versehen. In den folgenden Jahren erhielten die beschädigten Säulchencapitäle neue Knospen, bis 1894 die noch ausstehenden Arbeiten in Angriff genommen wurden. Die alte Barockstiege in die Kirche wurde durch eine frühgotische ersetzt, der ganze Kreuzgang mit einem Pflaster versehen, die früher in den Boden eingelassenen Grabsteine, um sie vor weiterer Beschädigung zu bewahren, an der Wand des Westflügels aufgestellt und die bisher einfach verglasten Rosetten in den Giebelfeldern mit Grisaille-Gemälden ausgestattet. Auch der Dormitoriumhalle, die durch eine dicke Tünche entstellt war, gab der Verstorbene ihr früheres Aussehen wieder zurück.

Die Sacristei, ein Juwel der Barocke aus dem XVII Jahrhundert, wurde 1896 (Cist. Chronik 1897), die im großen Stiftshofe vor dem Kirchenportale stehende Dreifaltigkeitssäule 1900/1 durch den akad. Bildhauer Parschalk in Wien restauriert. Der letzte Wunsch des Abtes war, den Josefsbrunnen wiederhergestellt zu sehen – sein Wunsch gieng im vergangenen Herbste in Erfüllung, nur die 3 Hautreliefs desselben, welche über den Winter neu angefertigt wurden, werden erst im kommenden Frühlinge eingesetzt werden.

Neben diesen Bauten im Stifte selbst seien noch erwähnt die theilweise Neuaufführung der Kreuzwegkapelle und der Bau der Friedhofskapelle in Heiligenkreuz, wo Abt Heinrich auch der Gemeinde aus Anlass des 50jährigen Regierungsjubiläums Sr. Majestät des Kaisers ein neues Schulgebäude zum Geschenke machte. Vollkommen übergehen müssen wir der Kürze halber die zahlreichen Bauten auf den dem Stifte incorporierten Pfarreien. Ebenso mögen es die Leser dieser Zeilen verzeihen, wenn ich nicht die Persönlichkeit des verstorbenen Abtes näher beleuchte und nicht sein stilles Wirken ins Licht setze – die heutige Zeit will greifbare Werke sehen, und er hat solche für uns und unsere Nachfolger geschaffen – saxa loquuntur!

Bis vor wenigen Jahren erfreute sich der Verewigte der vollen körperlichen und geistigen Frische. Seit einiger Zeit aber machten sich die Folgen seines hohen Alters fühlbar, und er selbst äußerte sich in der letzten Zeit zu wiederholten Malen, dass seine Tage gezählt seien, und er machte sich mit dem Gedanken an den nahen Tod vertraut. Dass derselbe aber so schnell eintreten werde, mochte vielleicht er selbst nicht vermuthet haben, noch ahnten es seine Mitbrüder. Am Christtage las er noch zum letztenmale die hl. Messe, am Abende des nämlichen Tages saß er noch mit dem Convente im Refectorium. Am Vormittage des 26. December wurden wir von der Nachricht überrascht, dass der Abt einen leichten Schlaganfall erlitten habe, dem man |[114]anfangs keine so weittragende Bedeutung beimaß. Hiezu gesellte sich aber eine Lungenaffection, und bereits am 27. December gieng die ärztliche Meinung dahin, dass der Zustand des Patienten ein besorgniserregender sei. Prälat Julius Cecconi in Maierling, der eilig gerufen wurde, nahm nun dem Kranken die heilige Beichte ab, und V. P. Prior spendete ihm hierauf die Sterbsacramente, bei deren Empfang der greise Abt noch mit vollem Bewusstsein respondierte. Im Laufe der nächsten Tage verschlimmerte sich der Zustand infolge rapiden Kräfteverfalls derart, dass man für den Sylvester- oder Neujahrstag die Katastrophe erwartete. Am 1. Jänner abends trat sie ein. Gegen ½7 Uhr abends ließ P. Prior zuerst einige Mitbrüder in die Pprälatur rufen, bald versammelte sich daselbst der ganze Convent und die in Heiligenkreuz studierenden Cleriker. Während wir die Sterbegebete und den ganzen Rosenkranz für ihn verrichteten, sah man deutlich, wie der Sterbende sich noch vergeblich bemühte, seine Stimme mit der seiner Mitbrüder zu vereinigen und mit den matten Händen zu wiederholten Malen das hl. Kreuzzeichen zu machen. Endlich schien sein Bewusstsein zu schwinden, es begann das Todesröcheln – es war genau 10 Uhr, als er ruhig seine Seele aushauchte. Mit thränenden Augen umstand der ganze Convent den entseelten Abt – die nämliche Ruhe und Milde, die ihm während seines Lebens immer eigen gewesen, lag auch nach seinem Tode auf seinen unentstellten Zügen. Sein Leichnam wurde zuerst in der Prälatur aufgebahrt, am 3. Jänner aber in die schwarz drapierte und mit Blumen reich ausgeschmückte Todtenkapelle im Kreuzgange übertragen.

Als das Ableben des allgemein beliebten Abtes bekannt geworden, liefen von allen Seiten theils auf telegraphischem, theils auf brieflichem Wege zahlreiche Beileidsbekundungen ein, u.a. von der Cabinetskanzlei Sr. k. u. k. Majestät Kaiser Franz Josef I, vom Ministerpräsidenten von Koerber, Cultusminister v. Hartel, Landmarschall Gudenus, Präsidenten des obersten Rechnungshofes Freiherrn v. Gautsch, Dr. Lueger namens der Stadt Wien, Hans Graf Wilczek sen., Gymnasium und Stadtrath Wiener-Neustadt etc.; von geistlicher Seite condolierten der hochw. Generalabt Amedeus de Bie, die Weihbischöfe Dr. Schneider und Marschall in Wien, der Erzbischof und Mechitaristenabt Dr. Arsenius Aidynian, das Wiener- und Raaber Domcapitel, die Prälaten Horny und Zschokke in Wien, der Jesuitenprovinzial P. Forstner, Propst Landsteiner, ferner die Stifte Klosterneuburg, Schottenstift in Wien, Melk, Lambach, Seitenstetten, St. Lambrecht, Geras, Reun, Ossegg, Hohenfurt, Zircz, Stams, Mehrerau und Sittich etc.

Das Leichenbegängnis des verblichenen Abtes fand unter großartiger Betheiligung der hohen Kreise wie des Volkes der ganzen Umgebung am 4. Jänner 9 Uhr Vormittag statt. Das feierliche Requiem und die Exequien in der Stiftskirche hielt der Weihbischof von Wien Dr. Gottfried Marschall unter Assistenz des hochw. Generalvicars Abt Theobald Grasböck von Wilhering und der Äbte Stephan Rössler von Zwettl, Leopold Rost vom Schottenstifte, Frigdian Schmolk von Herzogenburg und Justin Panschab von Lilienfeld. Den Conduct zum Friedhof führte der hochw. Generalvicar. In der Gruft der Friedhofskapelle, die unter der Regierung des Abtes Heinrich Grünbeck 1889 erbaut wurde, harrt sein Leib unter dem Altare der Schmerzensmutter der ewigen Auferstehung entgegen. Möge er, dessen Wahlspruch auf Erden war: Nil sine deo, auf ewig mit seinem Schöpfer vereint sein.

Florian Watzl



Zitierempfehlung: Florian Watzl (1902): Nachruf Heinrich Grünbeck, in: Biographia Cisterciensis (Cistercian Biography), Version vom 12.12.2012, URL: http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Bibliothek:Nachruf_Heinrich_Gr%C3%BCnbeck

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