Handle, Augustin

Augustin Handle

Augustin Handle

36. Abt des Zisterzienserstiftes Stams von 1820 bis 1839

* 09. Nov. 1774 Hall i. Tirol
† 12. Feb. 1839 Innsbruck

Der in einer der größten Krisenzeiten der Tiroler Zisterze Stams zum Abt berufene Augustinus Handle wurde am 9. November 1774 als Spross einer kleinadeligen Stamser Familie, die sich der Geschäfte halber in Hall i. Tirol aufhielt, dort geboren. In der Taufe erhielt er, wie das Stamser Professbuch vermerkt, den Namen Franz Vigil.

Im Kloster Stams war kurze Zeit vorher ein Knabenseminar eingerichtet worden[1], um begabten Knaben, die schon früh Anlagen für einen möglichen Priesterberuf zeigten, eine erste Grundausbildung zu ermöglichen. Hier in dieser Lehranstalt fielen die Begabungen des Kindes auf, er schloss die ersten Studien sehr erfolgreich ab.[2] Mit dieser Grundlage konnte er zum weiteren Schulbesuch nach Bozen übersiedeln, später wechselte er an das Innsbrucker Gymnasium. Der Redakteur des ›Bothen‹, schreibt dass „Männer die ihn damals gekannt [haben], vorzüglich das ruhige Ebenmaß seines Studentenlebens rühmen“[2]. Er war Primus der Klassen, fleißig und so gar nicht angesteckt vom jugendlichen Übermut, wissen diese Quellen weiter zu berichten. Der Nachruf gibt auch den Grund an, warum der junge Mann nach Schulabschluss um Aufnahme in der Stamser Zisterze gebeten haben soll: er sei so stark von den politischen Verhältnissen getroffen gewesen – Tirol wurde in jenen Jahren der bayrisch-französischen Verwaltung unterstellt –, dass er ein ruhiges im Gegensatz zum unchristlichen Geist der Zeit stehendes Leben zu führen beschlossen habe.

Am 11. November 1794 kleidete der Stamser Abt Sebastian Stöckl[3] den Zwanzigjährigen ein und gab ihm den Namen des Kirchenvaters Augustinus. Seine Ordensprofess legte Handle vier Jahre später ab und begann darauf in Innsbruck an der Theologischen Fakultät der Jesuiten mit dem Studium vorerst der Philosophie und dann der Theologie, das er mit größtem Eifer betrieb. Nach nur zwei Studienjahren bestätigte die Innsbrucker Alma Mater dem jungen Mönch, er sei fähig seinen jüngeren Mitbrüdern im Kloster an der damals existierenden theologischen Hauslehranstalt Einführungen in Dogmatik, Moral, Pastoral und Kirchenrecht zu lesen.[4] Im Jahr zuvor war er von Fürstbischof Franz II. Karl Lodron aus Brixen zum Priester geweiht worden, und vielerlei Hoffnungen wurden in seine Person gesetzt. Neben dem Lehramt, das er betont wichtig nahm – so der Nachruf im Bothen[5] – wurde er 1896 zum Magister Novitiorum (Novizenmeister) bestellt; damit war er in schwieriger Zeit verantwortlich für die Zukunft seiner Abtei.

Im Stamser Nachruf[6] wird dann gleich von der Berufung ins Priorat berichtet. Handle folgte 1807 P. Heinrich Weißkopf, der Pfarrer wurde, nach. Es war aber ein böses Jahr für das Kloster, wie für alle Tirolischen geistlichen Häuser. Es tobte der „bayrische Kirchensturm“, der schließlich die Menschen im ganzen Land gegen die ungeliebten Bayern und Franzosen aufbringen sollte. Kaum im Amt wurde das Stift Stams staatlicherweise unter Zwangsverwaltung gestellt, aufgelöst und die Güter und Einkünfte dem josephinischen Religionsfond zugewiesen.[7] Und damit aus den arbeitsfähigen Mönchen, wie es schon öfter vorkam nicht untätige Pensionäre, würden, wurden diese verpflichtet einen Seelsorgeposten zu übernehmen. Der spätere Abt Augustin wurde Seelsorger in Burgeis am Fuße des uralten Benediktinerklosters Marienberg, denn die angestammten Patres des Stiftes Marienberg waren im Kirchenkampf mit dem Churer Fürstbischof als Eidverweigerer vertrieben worden.[8]

Indes war Handles Zeit in Marienberg nur kurz. Schon im Juli des Jahres berief ihn der diesen Teil Churs verwaltende Brixner Fürstbischof als Pfarrer und Dekan nach dem unweit gelegenen Mals im Obervinschgau. Staatlicherseits, und das zeigt dass er trotz seiner konsequent kirchlichen Haltung aufgrund seines zugänglichen Wesens das Vertrauen der neuen Regierung Tirols besaß, wurde er zum Inspektor des Schulwesens in diesem Regierungsbezirk ernannt. Die Fülle der Aufgaben gerade in dieser politisch unruhigen Zeit meisterte er dann auch lange Jahre zu Zufriedenheit seiner kirchlichen wie staatlichen Vorgesetzten. Dass ihm aber etwas an der Stamser Abtei und noch mehr an den Mitbrüdern des zerstreuten Konventes lag, zeigt der Umstand, dass er in ständiger Verbindung mit seinem Abt Sebastian – der war inzwischen auch in einer Stiftspfarre untergekommen – stand. Dieser wiederum erbat häufig den Rat seines Mitbruders.

Als in Tirol langsam wieder geordnete Verhältnisse entstanden, wurden auch die aufgehobenen Prälaturen schrittweise wiedererrichtet. Stams wurde durch allerhöchste kaiserliche Entschließung vom 12. Januar 1816 wiederhergestellt und Abt und Konvent in die nun geschmälerten Rechte wieder eingesetzt. Handle erwartete nun, dass der Abt ihn mit der Absicht, ihn in Innsbruck als Dozent der Pastoral einsetzen zu können, nach Stams berufen würde.[9] Weil er aber gerne Dekan und Seelsorger war, unternahm er seinerseits nichts, um ins Kloster heimkommen zu können, da er „1. [...] nur durch Gottes Fügung der Vorsicht hierher [nach Mals gekommen ist], und es ist dem Geiste Bernhard [Clairvaux] so wenig entgegen, auf höhere Fügung in der Seelsorge zu bleiben [...]“[10]. Er hatte den Eindruck gewonnen, dass man ihn im Kloster nicht so richtig brauchen könne, warum sonst wollte der Abt dafür sorgen, dass er eine Professorenstelle in Innsbruck antrete? Da er gern in seiner Pfarre war, zog er den momentanen Zustand vor.

Der Antrag von 1817 zur Rückkehr nach Stams, den Handle wohl auf Verlangen Abt Sebastians stellte, wurde von der Brixner Kurie abgewiesen, da auch die Vorgesetzen in der Diözese erkannten, welche gute Arbeit der Zisterzienser leistete. 1818, nach neuerlichem Antrag, wurde dem Drängenden beschieden, er möge sich bis zur endgültigen Regelung der Diözesangrenzen in Tirol gedulden[11] und seine Arbeit wie bisher versehen. Erst im Februar 1820 kehrte Handle ins Kloster zurück, das ihm aber nicht mehr recht behagte, denn nach den langen Jahren der Aufhebung war die klösterliche Zucht auf niedriges Niveau gesunken.

Am 10. November 1819 war Abt Sebastian Stöckl gestorben, und es war unklar, wie es mit dem Stamser Konvent weitergehen würde. Die Disziplin im Haus war schlecht, der Besuch des Chorgebetes eher sporadisch und auch die wirtschaftliche Seite war bedenklich. Dazu kam, dass es nicht sicher war, ob überhaupt ein Nachfolger für den verstorbenen Abt gewählt werden durfte. Noch fehlten die bischöfliche wie die kaiserliche Zustimmung zum Wahlakt. Zudem war der Personalstand sehr niedrig, gerade einmal 28 Professmönche zählte der Konvent, darunter aber eine große Zahl tüchtiger Verwalter, Priester und Lehrer.

Der Prior, P. Florian Grün, erreichte schließlich durch eine Petition nach Brixen und Innsbruck, dass eine Wahl vorgenommen werden durfte. Im Mai 1820 kam die Mitteilung, dass der 13. Juni als Wahltag ausersehen sei und der bischöfliche wie kaiserliche Kommissar in Stams die Wahl leiten würden. Im ersten Wahlgang schon entfielen auf Handle die notwendigen Stimmen. Von den 28 Wählern schenkten dem erst sechsundvierzigjährigen Mitbruder 16 das Vertrauen und erwählten ihn damit zum Abt.[12] Aufgrund der Unsicherheit und wohl auch im Bewusstsein, dass es Leidensjahre werden würden, verweigerte der electus vorerst einmal die Annahme der Wahl. Erst auf Drängen der Mitbrüder, und auf das Versprechen hin, ihn besonders tatkräftig zu unterstützen, entsprach er dem Wunsch des Konvents und nahm die Wahl zu Abt an. Die Benediktion am 2. Juli 1820 nahm der Brixner Fürstbischof Karl II. Franz von Lodron (1791–1828) höchstpersönlich vor und gestand dem neuen Abt von Stams wie dem zur gleichen Zeit gewählten Wiltener Propst Alois Röggl, dass sie beide seine Wunschkandidaten gewesen seien.[13]

Die schwere Aufgabe, Stams nicht nur wirtschaftlich wieder zu sanieren, sondern vor allem das brachliegende geistliche Leben in der Abtei wieder zu erneuern, lag vor Handle. Dazu kam, dass gerade die wirtschaftliche Selbständigkeit durch eine eher säumige Restitution seitens des Landesguberniums in Innsbruck, das so manches Gut für den staatlichen Religionsfond reklamierte, die Langmut des Prälaten auf eine äußerste Probe stellte. Die Sorge um klösterlichen Nachwuchs, um das regeltreue Leben und um die zum Stift gehörenden Seelsorgen lag nun auf seinen Schultern. Er hatte nicht genügend Mönche zur Verfügung, um alle Aufgaben sogleich in Angriff zu nehmen, zudem war er – so belegen das Briefe an und von ihm – doch kein Oberer, der alles und jeden sofort in das Kloster aufnahm. Er bestand immer auf Zeugnisse und eine Prüfung bevor er eine Zulassung zum Noviziat aussprach.

Das in der Bayernzeit aufgelöste Hausstudium wollte Handle wieder herstellen, hatte aber mit Widerständen der Jesuiten in Innsbruck zu rechnen, aber auch im eigenen Konvent nicht genügend gut ausgebildete Lehrer, so dass dieser Plan nur langsam und schrittweise verwirklicht wurde. Überdies war die Klosterbibliothek wieder aufzubauen, sie wurde nach der Aufhebung 1807 mitsamt der Wiltener Bibliothek der Universität übergeben – der Verlust der Handschriften und Inkunabeln schmerzte sehr. Es war überhaupt schwer möglich, den alten Bestand wiederherzustellen, was in Jahrhunderten gesammelt war, war endgültig verloren. Der Abt musste von Grund auf neu beginnen, die für ein Kloster unverzichtbare Einrichtung zu schaffen.

In den fast 19 Jahren seines Abbatiates konnte das Zisterzienserstift unter der klugen Regierung Handles doch wieder an die alte, untergegangen geglaubte Tradition anschließen. Der Abt kümmerte sich um die Bildung seiner Religiosen – er ließ eine Reihe von Mönchen zu Lektoren ausbilden[14], stellte die Seelsorge in den dem Stift inkorporierten Kuratien und Pfarren sicher und konnte auch wirtschaftlich wieder Fuß fassen.

Alles in Allem darf Abt Augustin nach der Krisenzeit der Aufhebung durchaus als Wiederbegründer gesehen werden. Die ehrende Unterschrift unter seinem Portrait in der Bildergalerie der Stamser Äbte ist keinesfalls übertrieben. Darin wird er als „pastor exili sit fidelis & prudens“ bezeichnet, und als Abt sei er ein „vere pater pius consolator“ gewesen, der „auxit enim Conventum Fratribus, templum spoliatum sacrum multaque supellectili, bibliothecam operibus aedificia restauravit, & iniqui temporis vulnera sarcevit“ habe. Er wird als „Disciplinae relig. restitutor & servator, erudiens verbo & exemplo“ gepriesen.[15] Als Handle am 12. Februar 1839 starb, konnte er darauf vertrauen, dass das Kloster, das er als seine Heimat und Zuflucht betrachtete, die kommenden, immer noch schweren Zeiten meistern würde. Abt Augustin III. liegt am Stamser Konventfriedhof in der dortigen Kapelle begraben.

Wolfgang G. Schöpf, Juni 2014

  1. Dazu vgl. S. Brunner: Ein Zisterzienserbuch. Würzburg 1881, S. 446.
  2. 2,0 2,1 „Franz Vigil, bereits in der Dorfschule viele Fähigkeiten und Lehrlust beweisend, fand in der Stiftschule bereite Aufnahme, und wurde mit entschiedenem Erfolge in der deutschen und lateinischen Sprache unterrichtet.“ Abt Augustin III. von Stams [Nachruf]. In: Kaiserlich königlich privilegirter Bothe von und für Tirol und Vorarlberg (Nr. 47 / 13. Juni 1839) 188.
  3. * 16. Aug. 1752, Stams; Profess 22. Sept. 1771, Priester 17. Sept. 1775, Trient; Abtwahl 20. Sept. 1790; 35. Abt von Stams; † 10. Nov. 1819, Stams (vgl. Album Stamsense seu Catalogus religiosorum sacri et exempti Ordinis Cisterciensis archiducalis Monasterii B. V. Mariae et S. Joann. Bapt. in Stams. 1272−1898 [ed. K. Lindner]. Salzburg 1898, Nr. 629). W. G. Schöpf: Stöckl / Stoeckl, Sebastian. In: BBKL 30 (2009) 1458–1465.
  4. Vgl. Todesanzeige mit Curriculum Vitae Augustin Handle (Stiftsarchiv Stams, Lade Rotulae. Abt Augustin III. von Stams).
  5. Bothe von und für Tirol und Vorarlberg (s. Anm. 2), S. 188.
  6. Vgl. Rotulae StA Stams.
  7. Vgl. O. Stolz: Geschichte des Landes Tirol. Quellen und Literatur, Land und Volk in geschichtlicher Betrachtung, allgemeine und politische Geschichte in zeitlicher Folge. Bd. 1, Innsbruck 1955, S. 584f.
  8. Vgl. M. Blaas, Die „Priesterverfolgung“ der bayerischen Behörden in Tirol 1806−1809. Der Churer Bischof Karl Rudolf von Buol-Schauenstein und sein Klerus im Vinschgau, Passeier und Burggrafenamt im Kampf mit den staatlichen Organen. Ein Beitrag zur Geschichte dieses Jahres 1809 (Schlern Schriften 277). Innsbruck 1986, S. 137−141, 305f., 354f.
  9. Vgl. Brief von Handle an Stöckl, 20. März 1816 (StA Stams).
  10. Brief von Handle an Stöckl, 5. Dezember 1817 (StA Stams).
  11. Vgl. A. Dörrer: Der Wandel der Diözesaneinteilung Tirols und Vorarlbergs. Ein Beitrag zur Geschichte des Verhältnisses von Kirche und Staat (Mit 6 Haupt- und 7 ihnen beigeordneten Nebenkärtchen). In: Tiroler Heimat 27 (1953), S. 41−74.
  12. Vgl. Wahlakte Q.IV.n.105 (StA Stams).
  13. Vgl. Diarium Abt Augustinus III. Bd. 1 (E 5/1) (StA Stams).
  14. Vgl. K. Neumüller: Abt Augustin III. Handle. Wiederherstellung der inneren und äußeren Ordnung im Stift Stams unter Abt Augustin Handle (1820–1839). Dipl. masch, Innsbruck 1981, 100 (Liste der unter Augustin III. ausgebildeten Lektoren für die Lehranstalt).
  15. Bildunterschrift des Porträts in der Äbtegalerie Stams (vgl. Stift Stams. Basilika Stams. Restaurierung 1974−1984. Stams o. J. [1984], 221).

Daten:

Vest.: 11. Nov. 1794; Prof.: 11. Nov. 1798; Abbas: el. 13. Juni 1820, ben. 2. Juli 1820.

Werke:

Das Album Stamsense listet Veröffentlichungen von Handle auf: Trauerrede auf Alphons II, Prälat von Fiecht, 21. Mai 1806 · Trauerrede auf Markus Eggle, Prälat in Wilten, 24. Februar 1820 · Primizpredigt auf Ludwig Theuille, Mals am 21. Januar 1821. Salzburg 1821 · Das Nothwendigste für Eltern. Einige Erziehungsregeln. Brixen 1814 · Wie man den Tag zubringen soll. O. O., o. J · Ritus et Usus in festorum celebritate aliisque functionibus sacris et quaedam observantiae monasterii in Stams. O. O. 1833 · Observanda circa Missas legendas ad usum sacerdotum Monasterii Stams. Innsbruck 1834.

Normdaten:

GND: 130095257 · BEACON-Findbuch

Zitierempfehlung: Handle, Augustin, in: Biographia Cisterciensis (Cistercian Biography), Version vom 11.02.2017, URL: http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Handle,_Augustin

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