Tanner, Petrus

Petrus Tanner

Petrus Tanner

Abt des Klosters Lützel 1677–1702

* 02. Aug. 1634 Colmar
† 14. März 1702 Blotzheim

Petrus (Pierre) Tanner wurde am 2. August 1634 als Sohn des Ökonomen des Kapitels von St. Martin, Georg Tanner, und seiner Frau Marie Buchinger in Colmar geboren und noch am selben Tag getauft. Er trat 1655 in das Noviziat der Zisterzienserabtei Lützel ein, wo er am 2. Februar 1656 (Gallia Christiana: 1658) unter Abt Bernardin Buchinger die Profess für Lützel, Maulbronn und Drei Ähren (Trois-Epis) ablegte. Nach dem Studium der Philosophie und Theologie in Dole und Dijon wurde er am 29. September 1658 zum Subdiakon, 1659 zum Diakon und 1660 zum Priester geweiht.

Er war Cellerar, dann Prior in Lützel. Von 1673 bis 1677 war er Prior in Blotzheim, dann in Saint-Apollinaire (Michelbach), entzweit mit dem Abt Edmond Quiquerez, gegen den sich eine Oppositionspartei gebildet hatte, der Tanner sich angeschlossen hatte. Am 1. Februar 1677 wurde er nach einigen Intrigen zum Abt gewählt und am nächsten Tag von Abt Nikolaus Göldlin von Wettingen als Generalvikar der elsässisch-schweizerischen Provinz benediziert. Zu dieser Feier lud er durch besonderen Boten den Bischof von Basel ein, damit dieser durch seine Gegenwart den Glanz des Festes erhöhe. Der Intendant La Grange berichtete an den Staatsminister Louvois, dass Kommissare des elsässischen Provinzialrats bei der Wahl anwesend gewesen waren. Die Bestätigung durch Generalabt Jean Petit von Cîteaux erfolgte am 10. Februar 1677.

Tanner war herrisch, eigensinnig, streit- und rachsüchtig, was selbst seine ehemaligen Anhänger verärgerte. Er legte eine relative Frömmigkeit an den Tag. Oft hielt er sich auf dem Zisterzienserhof in Lutterbach auf. In seine Regierungszeit fallen weitreichende Veränderungen im Klostergebiet. Er hatte den Plan gefasst, ein neues Kloster zu bauen und den wirtschaftlichen Wohlstand der Abtei, der zum Teil auf der Nutzung von Wäldern und Eisenerzminen beruhte, weiter auszubauen.

Auf dem Weg nach Löwenburg ließ er eine Eisenhütte und eine zweite in Winckel betreiben, was wegen der dadurch verursachten Waldrodungen (Brennholz) zu Prozessen führte. Das zum Betrieb notwendige Erz sollte auf der fürstbischöflichen Seite gewonnen werden. Damit geriet die Abtei in Konflikt mit dem Fürstbischof von Basel, der den Bergbau als Teil seiner Landeshoheit betrachtete. Der Bischof ließ die Bergleute, die für das Kloster arbeiteten, vertreiben und die Arbeiten einstellen. 1687 kaufte er einen Wald in Nonnenbruch im Bann Wittelheim, ein Allod in Richwiller und einen Bodenzins in Pfastatt. 1690 ließ er die St.-Peters-Mühle (Neumühle) an der Einmündung des Bösenbach in den Fluss Lützel erbauen. Außerdem gründete er mehrere Höfe, was ebenfalls umfangreiche Rodungen zur Gewinnung von Ackerflächen zur Folge hatte. 1685 begann er mit dem Bau eines neuen Konventgebäudes, der aber wegen eines Zerwürfnisses mit dem Baumeister[1] nicht über die Fundamente hinauskam und erst 1704 von seinem Nachfolger Antoine de Reynold weitergeführt werden konnte, nachdem dieser die Erben des Baumeisters abgefunden hatte.

1690 war Tanner bankrott; seine Schulden beliefen sich auf 300.000 Pfund. Es gelang ihm, einen „königlichen Aufschubbrief“ zu erhalten. Die Grundstückseinnahmen der Abtei flossen jedoch stetig, sodass Tanner, der dazu mehr als seine Vorgänger gefordert war, die Beiträge des elsässischen Klerus (Subsidien, Kontributionen, Invalidenrenten usw.) begleichen konnte. Die Provinzbehörden schätzten die Einkünfte der Abtei in den 1690er Jahren auf 20.000 Pfund, und das nur für den elsässischen Teil.

Nachdem ein Großbrand am 6. Dezember 1699 die Abtei unbewohnbar gemacht hatte[2], zog sich Abt Tanner mit einigen Konventualen in das Priorat Blotzheim zurück, wo er am 14. März 1702 (Gallia Christiana: 1703) starb und in der Kapelle begraben wurde. In den 26 Jahren seines Abtsdaseins war es ihm nicht gelungen, ein echtes gemeinschaftliches und religiöses Leben wiederherzustellen. Nach seinem Tod dauerte es ein ganzes Jahr, bis mit Antoine de Reynold aus der Schweizer Abtei Hauterive ein Abt gefunden werden konnte, mit dem der französische König, der sich immer mehr in die Angelegenheiten der Klöster einmischte, einverstanden war.

Seine Schwester Maria Euphemia Tanner war Priorin in Lichtenthal und mit einigen Klosterfrauen wegen der Kriegsgefahren nach Lützel geflohen. Sie starb am 12. Februar 1689 in Löwenburg und wurde in der Abteikirche Lützel begraben.

gge, Juni 2018, rev. Sep. 2023

  1. Tanner führte zahlreiche Prozesse mit seinem Architekten, mit seinen Lieferanten und Pächtern, oft vor dem Rat von Breisach. Im Gegenzug verklagten diese ihn als „Schikanierer“ und „Gazettenmacher“.
  2. Die Bibliothek wurde von den Flammen mitgerissen. Die Kirche blieb zwar verschont, doch das Dach brannte ab.

Daten:

Prof.: 2. Feb. 1656; Sac.: 1660; Abbas: el. 1. Feb. 1677.

Literatur:

Chèvre, André: Lucelle – Histoire ancienne d’une abbaye cistercienne, 1973, S. 193–211 (Porträt) · Ders.: Cisterciens de Lucelle, in: Helvetia Sacra III/3, 290–311 · Hauréau, Barthélemy: Gallia Christiana, Band 15. Paris, 1860, Sp. 586 (abweichende Daten) · Sitzmann, Édouard: Dictionnaire de biographie des hommes célèbres de l’Alsace, Rixheim, Bd. 2, 1910, S. 858 · Friederich, Sacerdos: Das Seelbuch von Lützel, in: Jahrbuch des Sundgauvereins 11–16 (1943–1948), S. 186–187, Nr. 580.

Zitierempfehlung: Tanner, Petrus, in: Biographia Cisterciensis (Cistercian Biography), Version vom 29.09.2023, URL: http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Tanner,_Petrus

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