Van der Cruyssen, Albert

Albert Van der Cruyssen

Albert Van der Cruyssen OCSO

Wiedererrichter und 53. Abt des Trappistenklosters Orval

* 11. Juli 1874 Gent
† 30. April 1955 Florenville

Albert Van der Cruyssen, Taufname Charles, wurde am 11. Juli 1874 im belgischen Gent geboren. Er war der älteste Sohn des Dekorateurs Charles Van der Cruyssen und dessen Ehefrau Jeanne Moerman († 1916). Die Mutter, obwohl zehn Jahre älter als ihr Mann, wurde Witwe bevor die Kinder erwachsen waren und führte, mit Hilfe ihrer beiden ältesten Söhne Charles und Julien, die dafür auf ein Universitätsstudium verzichten mussten, das Geschäft weiter. 1896 machte sich Charles mit seinem Bruder selbstständig, 1904 trennten sie sich geschäftlich wieder. Julien führte den Familienbetrieb weiter, während Charles sehr erfolgreich öffentliche Aufträge der belgischen Regierung übernahm, darunter die Errichtung des belgischen Pavillons auf den Weltausstellungen in Paris 1902, Lüttich 1905, Mailand 1906 und Brüssel 1910, wo er – mit Hilfe des befreundeten Architekten Henry Vaes – innerhalb weniger Tage die einem Brand (14./15. Aug. 1910) zum Opfer gefallenen Pavillons wiederherstellen ließ.

Neben seiner Arbeit spielte Van der Cruyssen eine führende Rolle in der belgisch-nationalen Mittelstandsbewegung und war Mitglied im Bundesvorstand der Katholischen Jungen Garden. 1893 schuf er in Gent den Verein «Dieu et Patrie» („Gott und Vaterland“, eine Art belgischer Kolping-Verein), der 1908 schon 1400 Mitglieder zählte. Schnell wurde der sozial und politisch aktive Unternehmer als „Vater der Mittelschicht“ bekannt. 1905 gründete er eine Genossenschaftsbank für die Handwerker; eine Krankenkasse und eine Pensionskasse folgten 1907. 1913 gründete er mit ein paar Freunden die explizit politische „Katholiek Middenstadsverbond van België (K.M.V.B.)“, die sich für eine eigenständige Vertretung der Kleinunternehmer innerhalb der katholischen Partei einsetzte. Um seinen Traum von einem eigenen Haus für den Verein mit Konferenzräumen, Theatersaal, Café usw. finanzieren zu können, erstellte «Gott und Vaterland» auf der Weltausstellung in Gent 1913 ein Café-Restaurant. Zur Verwirklichung des Plans kam es aber erst nach dem Ersten Weltkrieg, als Charles Van der Cruyssen vor seinem Klostereintritt sein Privatvermögen dem Verein vermachte.

Obwohl er nie Soldat gewesen war – 1892 hatte ihn seine Familie wegen des Abschlusses seiner Berufsausbildung vom Wehrdienst freigekauft – und schon vierzig Jahre alt war, meldete sich Van der Cruyssen sofort nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges als einfacher Freiwilliger zur Armee. Wegen seiner technischen Kenntnisse und Fähigkeiten einem Pionierbataillon zugeteilt, wurde er mit verschiedenen Bauarbeiten (Gräben, Brücken) beauftragt und schnell befördert, im September 1914 wurde er Sergeant, im Januar 1916 Leutnant. Wegen seiner persönlichen Tapferkeit wurde er mit mehreren hohen Kriegsauszeichnungen dekoriert, u.a. dem belgischen (mit acht Zitationen und vier Palmen) und französischen Croix de Guerre.

1918 wurde er schwer verwundet von der deutschen Armee gefangen genommen, konnte aber entkommen. Am 28. Mai 1919 als Kriegsheld aus der Armee entlassen, gründete Van der Cruyssen, der auch während des Krieges Kontakte zu den Mitgliedern des Vereins «Dieu et Patrie» gehalten hatte, sofort eine Hilfsorganisation zugunsten kriegsversehrter Handwerker, die «Belgish Steunfond der Ekonomish Werken ten Voordele van Slachtoffers der Oorlog». Ein politisches Manifest, das er schon während seiner Rekonvaleszenz verfasst hatte, erregte einige Aufmerksamkeit, trotzdem geriet sein «Katholiek Middenstandsverbond van België» zunehmend in Konkurrenz zu der am 15. Mai 1919 von Abbé Isidoor Lambrechts gegründeten «Katholiek Middenstandsverbond van België».

Van der Cruyssen zog sich aus der politischen und sozialen Arbeit zurück und trat, nachdem er sein gesamtes Privatvermögen dem Verein «Dieu et Patrie» übereignet hatte, als Novize in die französische Zisterzienserabtei strengerer Observanz („Trappisten“) La Trappe in Soligny ein, die er während seiner Aufenthalte in Frankreich kennengelernt hatte. Im November 1924 legte Frère Marie-Albert, wie er nun hieß, die feierliche Profess ab und wurde im Dezember 1925 zum Priester geweiht.

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Daten:

Prof.: Nov. 1924; Sac.: Dez. 1925.

Literatur:

Cormier, Aristide: Dom Marie-Albert Van der Cruyssen, restaurateur et 53ème Abbé d'Orval. Orval: Abbaye d'Orval, 1956.

Zitierempfehlung: Van der Cruyssen, Albert, in: Biographia Cisterciensis (Cistercian Biography), Version vom 14.08.2015, URL: http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Van_der_Cruyssen,_Albert

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