Vaussin, Claude

Claude Vaussin, 1666

Claude Vaussin

59. Abt von Cîteaux 1643–1670

* 1608 Burgund (Corsaint?)
† 1. Febr. 1670 Dijon

Claude Vaussin stammte aus einer einflussreichen bürgerlichen Familie in Dijon. Er war ein Halbbruder[1] des Präsidenten des Parlements von Burgund, Jean Bouchu (1597–1653)[2], und ein Onkel des Abtes von Clairvaux, Pierre Bouchu. Er wurde Mönch in Clairvaux (Profess 1. Oktober 1633), an der Sorbonne zum Dr. theol. promoviert und war dann Prior von Froidmont, bis er am 2. Januar 1643, im Alter von noch nicht 37 Jahren, zum Abt von Cîteaux gewählt wurde. Er trat damit die Nachfolge des Kardinals Richelieu († 4. Dez. 1642) an, der sich 1635 zum Abt hatte wählen lassen, um eine Reform im Orden zu erzwingen.

Die Reformbewegung der strengen Observanz war zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstanden und hatte schnell einflussreiche Unterstützung am französischen Königshof gefunden. 1634 hatte Kardinal La Rochefoucauld[3] den Vorstellungen der strengen Observanz zum Durchbruch verholfen, was über ein halbes Jahrhundert Anlass zu dauernden Auseinandersetzungen, Streitigkeiten und Prozessen gab („Streit der Observanzen“). Die Wahl Richelieus war umstritten gewesen, vor allem die nichtfranzösischen Kongregationen hatten ihn nicht anerkennen wollen. Daher wurde die Wahl eines eigenen Abtes von diesen allgemein begrüßt, weil man damit die seitdem gefährdete Einheit des Ordens gerettet sah.

Claude Vaussin gehörte aber nicht zur Reformpartei, weshalb diese seine Wahl anfocht und für ungültig erklären ließ. Prüfungen wurden veranlasst und letztlich eine neue Wahl angeordnet, an der alle Mönche teilnehmen sollten. Der gewählte Abt sollte zunächst nur von den Reformern gestellt werden können, wie es die Regelungen La Rochefoucaulds vorsahen; diese Bestimmung wurde aber aufgehoben und so wurde am 10. Mai 1645 Claude Vaussin gegen die Stimmen der Reformpartei erneut zum Abt gewählt. Nach der Anerkennung durch den König und den Heiligen Stuhl nahm Vaussin im Januar 1649 Cîteaux in Besitz. Von den nichtfranzösischen Abteien, die weit überwiegend der allgemeinen Observanz angehörten, wurde dies mit Erleichterung aufgenommen, sah man damit doch die Einheit des Ordens als gesichert an. Von den Anhängern der strengen Observanz wurde der Kampf gegen den Generalabt aber nach kurzer Pause wieder aufgenommen. Auf dem Generalkapitel von 1651 fanden die strenge Observanz und ihre Forderungen zwar weitgehend Anerkennung, was aber der Reformpartei keineswegs genügte. Sie wollte nicht die Anerkennung als eigenes Vikariat oder eigene Kongregation, sondern die Dominanz im Orden.

Claude Vaussin nutzte die Visitation als Mittel die klösterlichen Ordnung zu sichern. 1648 besuchte er Klöster seiner Filiation in der Provence und Gascogne, 1653 in der Ile-de-France, Anjou, Maine, Touraine, Bretagne und Normandie. 1654 kam er über die Schweiz zu einem Besuch vieler Ordensklöster in Oberdeutschland, Böhmen, Österreich. Mit dem Nationalkapitel in Rottweil 1654, bei dem er selbst den Vorsitz führte, stellte er die gefährdete Einheit der Oberdeutschen Kongregation des Zisterzienserordens wieder her und band diese Kongregation mit entsprechenden Bestimmungen in den Statuten eng an Cîteaux als das Haupt des Ordens. In der Auseinandersetzung mit den Vertretern der strengen Observanz konnte sich Claude Vaussin auch weiterhin auf die Äbte der Oberdeutschen Kongregation verlassen.

Vaussin wurde unterstützt von Kardinal Mazarin, während die Reformer die Unterstützung der Königinmutter Anna von Österreich fanden. Bei den Wahlen neuer Äbte in den Primarabteien Clairvaux 1653 und La Ferté 1655 konnte Vaussin seine Kandidaten durchsetzen. Von 1656 an schienen aber die Anhänger der strengen Observanz endgültig die Oberhand zu gewinnen. Schließlich wurde 1660 sogar die Reform von La Rochefoucauld, welche die Reformer begünstigte, als gültig anerkannt. Vaussin widerrief das bereits für 1661 angesetzte Generalkapitel und wandte sich angesichts der negativen Entscheidung mit Zustimmung des königlichen Staatsrats direkt an Rom. Positiv wirkte sich dabei für Vaussin aus, dass 1661 der absolutistisch eingestellte Ludwig XIV. selbst die Regierung des Königreiches übernommen hatte. 1661 reiste Claude Vaussin selbst nach Rom. Dort war er letztlich erfolgreich, indem Papst Alexander VII. (1655–1667) am 16. Januar 1662 die umstrittenen Reformstatuten von Kardinal La Rochefoucauld widerrief, eine grundsätzliche Reform des gesamten Ordens unter Beteiligung beider Observanzen einforderte und eine Sonderkommission einsetzte. Auf der Rückreise besuchte Vaussin wie schon auf der Hinreise Klöster des Ordens in der Toskana und der Lombardei. Zurückgekehrt nutzte Vaussin die Zeit der Überprüfung der Papstbulle von 1662 um Klöster in Flandern zu visitieren. Schließlich wurde die päpstliche Bulle im Juli 1664 in Frankreich anerkannt. 1664 reiste Claude Vaussin erneut nach Rom, wo sich auch Vertreter der strengen Observanz zu Verhandlungen mit der Sonderkommission eingefunden hatten. 1665, nachdem sich für ihn bereits ein Erfolg abzeichnete, kehrte er nach Frankreich zurück. Ergebnis der Beratungen der vom Papst eingesetzten Sonderkommission war die apostolische Konstitution vom 19. April 1666, „In suprema“, die auch in Frankreich anerkannt wurde. Ein Generalkapitel wurde auf den 9. Mai 1667 einberufen und dort die päpstliche Bulle verkündet. Eine Einigung der beiden zerstrittenen Observanzen brachte dieses Kapitel aber nicht, sondern mit dem Protest der Vertreter der strengen Observanz gegen die päpstliche Bulle eine Fortsetzung der Auseinandersetzung. Ein neues Generalkapitel, zu dem auf 1670 eingeladen wurde, sollte schließlich die Lösung bringen, zumal auch Papst Clemens IX. am 16. Jan. 1669 die Position seines Vorgängers und damit Claude Vaussin stützte. Bei der Vorbereitung für das Kapitel verstarb Claude Vaussin am 1. Februar 1670 in Dijon. Über 24 Jahre war er an der Spitze des Ordens gestanden. Das Generalkapitel wurde nach seinem Tod widerrufen. Erst 1672 konnte wieder ein Generalkapitel stattfinden, das aber noch immer keine Beendigung der Auseinandersetzungen herbeiführte. Erst von 1683 an fand die so lange und erbittert ausgetragene innere Auseinandersetzung ihren Abschluss, indem die Autonomie der strengen Observanz innerhalb des Zisterzienserordens vom Generalkapitel schließlich anerkannt wurde.

Im Streit der Observanzen war Claude Vaussin trotz aller Bemühungen der Erfolg letztlich versagt geblieben, gelungen war es ihm aber trotz aller Anfechtungen und Anfeindungen die Position der allgemeinen Observanz zu behaupten und damit die Einheit seines übernationalen Ordens, die bei einem Sieg der strengen Observanz gefährdet war, in schwieriger Zeit zu bewahren.

Mit Claude Vaussin ist auch die Reform der Zisterzienserliturgie verbunden, mit der sich die Cistercienser mit Anpassungen in ihren liturgischen Büchern den römischen Bräuchen annäherten.

Auch seine Gegner versagten Claude Vaussin letztlich ihre Anerkennung nicht, denn er hinterließ nicht zuletzt ein wohlbestelltes Kloster, das mit erforderlichen Baumaßnahmen erneuert und dessen Wirtschaft wieder auf ein solides Fundament gestellt worden war.

Leonhard Scherg, März 2011


  1. frère utérin, d.h. sie hatten dieselbe Mutter
  2. Präsident des Parlements in Burgund ab 1644; dieser war Anhänger des Herzogs Condé und der gegen die absolutistische Zentralisierung aufbegehrenden Fronde, hatte sich dann aber mit Kardinal Mazarin ausgesöhnt. Claude Vaussin konnte erst mit einer königlichen Ausnahmegenehmigung 1646 das mit der Stellung eines Abtes von Citeaux verbundene Amt eines Mitglieds des Parlements von Burgund einnehmen, denn die Zugehörigkeit von zwei Brüdern zum Parlement war nicht möglich.
  3. François de La Rochefoucauld (1558–1645), Bischof von Clermont-Ferrand und Senlis, Großalmosenier von Frankreich und eine der wichtigsten Gestalten der französischen Gegenreformation; Kardinal seit 1607.

Literatur:

Louis J. Lekai, The Rise of the Cistercian Strict Observance in Seventeenth Century France (Washington 1968) · Louis J. Lekai, The Cistercians. Ideals and Reality (Kent/Ohio 1977, ²1989) · Louis J. Lekai (Hrsg.), Nicolas Cotheret´s annals of Cîteaux (Kalamazoo 1982) · Louis J. Lekai (Hrsg.), Les Annales de Cîteaux de Nicolas Cotheret (II), in: ACi 41 (1985) 42–315 · Thomas Nguyen-Dinh-Tuyên, Histoire des Controverses à Rome entre la commune et l´etroite observance de 1662 à 1666, in ACi 26 (1970) 3–247

Zitierempfehlung: Vaussin, Claude, in: Biographia Cisterciensis (Cistercian Biography), Version vom 15.04.2017, URL: http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Vaussin,_Claude

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