Anselme Dimier OCSO
Zisterzienser der strengeren Observanz; Ordenshistoriker, Archäologe
* 20. Feb. 1898 Valenciennes, Frankreich
† 4. Mai 1975 Chimay, Belgien
Joseph Dimier wurde 1898 als Sohn des bekannten französischen Kunsthistorikers Louis Dimier in Valenciennes in Nordfrankreich geboren, wo sein Vater damals Professor am Lyzeum war. Er besuchte in Paris das Lycée Louis-le-Grand, meldete sich als Siebzehnjähriger freiwillig zu den Gebirgsjägern[1] und kämpfte im Ersten Weltkrieg an der Marne, bei St.-Quentin und Ypern. 1919 wurde er als Unteroffizier einer Strafkompanie nach Tataouine in Tunesien geschickt, wo er Zeuge von militärischen Verbrechen wurde. Über seine (erschütternden) Erfahrungen und Beobachtungen dort berichtete er in dem Buch Un Régulier chez les joyeux, histoire vraie (Paris: Grasset, 1928), das in Frankreich großes Aufsehen erregte und zu einer Eingabe an die Abgeordnetenkammer (Chambre des députés) führte. Die soldatische Haltung haftete Dimier sein ganzes Leben lang an, wie auch sein Abt in der Leichenpredigt hervorhob.
Der begeisterten Bewährung an der Front folgten in der Nachkriegszeit Ernüchterung, Ziellosigkeit und innere Konflikte, die ihn schließlich 1926, nach einem mehrmonatigen Aufenthalt bei den Benediktinern von La Source in Paris, als miles christi (Soldat Christi) in die Zisterzienserabtei strengerer Observanz Tamié in Savoyen führten, woher seine Familie ursprünglich stammte. 1928 legte er die Profess ab und wurde 1932 zum Priester geweiht. Hier widmete Dimier – zweifellos durch Abt Alexis Presse gefördert – seine freie Zeit historischen Studien über Pierre de Tarentaise und die Geschichte der untergegangenen ersten Abtei Tamié, deren Fundamente er 1926 wiederentdeckte, sowie der Abtei Bonnevaux (1933). Außerdem baute er eine umfassende Bibliothek auf.
1939 erneut zum Militär eingezogen[2], stand Dimier wieder an der Front und kam in Kriegsgefangenschaft, in Vaux-sous-Laon, aus der er am 28. Juli 1940 entlassen wurde. Für seinen Einsatz erhielt er das Kreuz der Ehrenlegion. Nach Tamié zurückgekehrt, nahm er seine Studien wieder auf und fuhr fort, die im Laufe der Jahrhunderte in Vergessenheit geratene „glanzvolle Vergangenheit“ des Ordens von Cîteaux aus dem Dunkel zu befreien, eine Aufgabe, der er sein ganzes Leben widmete (Cocheril).
1948 wechselte er der besseren Forschungsbedingungen wegen in die belgische Abtei Scourmont und übertrug 1950 sein Stabilitätsgelübde dorthin. Hier betrieb Dimier seine ausgedehnten und arbeitsintensiven wissenschaftlichen Studien und unternahm von 1959 an in den Sommermonaten mit jungen Freiwilligen archäologische Grabungen (seine Form der zisterziensischen Handarbeit) in den Ruinen der Zisterzienserklöster Foigny (1959), Igny (1962), Trois-Fontaines (1963–1964) und vor allem – unter der Leitung des Jesuiten René Courtois (1923–2005) – von 1965 bis 1975 in Vauclair, von 1960 bis 1965 auch in der Prämonstratenserabtei Lieu-Restauré bei Villers-Cotterêts.
„Durch die Qualität seiner zahlreichen Forschungsbeiträge zur Geschichte der Zisterzienser sowie durch den Aufbau einer weitgespannten intensiven Korrespondenz mit den französischen und europäischen Spezialisten seines Forschungsgebietes wuchs Dimier (quasi autodidaktisch) zu einer Autorität seines Faches heran, der – nicht zuletzt wegen der Mischung aus strengster Spiritualität, extremer Sportlichkeit[3] und mitmenschlicher Wärme – regelrechte Verehrung zuteil wurde. Der Archäologe Benoît Chauvin, der ihm (unter Mitwirkung zahlreicher Kollegen) eine Gedenkschrift in sechs Bänden widmete, nennt ihn einen maître incomparable.“[4]
Von Anselme Dimier stammen unzählige wichtige Arbeiten über Geschichte und Kunstgeschichte, besonders die Architektur, des Zisterzienserordens. Er starb am 4. Mai 1975 in Scourmont und wurde am übernächsten Tag auf dem Klosterfriedhof beigesetzt.
gge
- ↑ 22ième bataillon de chasseurs alpins (22e BCA) in Albertville
- ↑ Sanitäter im 7ième bataillon de chasseurs alpins
- ↑ Er war begeisterter Rugby-Spieler und schwamm bei jeder Gelegenheit, z.B. an dem Tag, an dem er in Tamié eintrat, im Lac d’Annecy.
- ↑ Franz Josef Hausmann, Art. Anselme Dimier, Wikipedia, 4. Nov. 2015 [1]
Daten:
Vest.: 16. Jul. 1926 (Tamié); Prof.: 16. Juli 1928; Sac.: 18. Okt. 1932.Literatur:
Mikkers, Edmond: En mémoire du R.P. Anselme Dimier. Cîteaux. Commentarii cistercienses. 26 (1975), p. [5]–6 · N.N.: Bibliographie du R.P. Anselme Dimier. 1898–1975. Cîteaux. Commentarii cistercienses. 26 (1975) [82]–98 · Cocheril, Maur: Père Anselme Dimier (1898–1975). Collectanea Cisterciensia 39 (1977) [161]–169 · Chauvin: Benoît: Mélanges à la mémoire du père Anselme Dimier. 6 Bände. Arbois: Pupillin, 1982–1987.Vorlage:Page.name: DIMIER, Anselme (Joséph) OCSO (1898–1975) – Biographia Cisterciensis