Wiesinger, Alois

Alois Wiesinger OCist

Alois Wiesinger OCist

14. Abt von Schlierbach 1917–1955

* 3. Juni 1885 Magdalenaberg, Pettenbach, Oberösterreich
† 3. Jan. 1955 Schlierbach

Alois (auch Taufname) Wiesinger war der Sohn des Tagelöhners Franz Wiesinger und seiner Frau Maria und wuchs in großer Armut auf. Er besuchte das Stiftsgymnasium Kremsmünster und trat bald nach der Matura 1905 in das Zisterzienserstift Schlierbach ein. Nach Studienjahren in Innsbruck wurde er am 1. August 1909 zum Priester geweiht. 1912 als erster Schlierbacher Zisterzienser seit 300 Jahren zum Doktor der Theologie promoviert, wurde er Kooperator in der Melker Stiftspfarre Traiskirchen und erhielt noch im selben Jahr die Professur für Fundamentaltheologie am theologischen Institut in Heiligenkreuz.

In den Semesterferien 1914 zum Eucharistischen Kongress nach Lourdes gereist, wurde Wiesinger wegen des Kriegsausbruchs in Frankreich zurückgehalten und in den Zisterzienserklöstern La Trappe (Aug. bis Sep. 1914) und Timadeuc (bis 9. April 1915) interniert. Dort lernte er das Leben der Zisterzienser der strengeren Observanz („Trappisten“) kennen und erhielt von Abt Jean-Baptiste Chautard dessen Buch L’âme de tout apostolat, dessen Grundthemen Gebet, liturgisches Leben und Wachsamkeit des Herzens in so beeindruckten, dass er es ins Deutsche übersetzte (Innerlichkeit. Das Geheimnis des Erfolges im apostolischen Wirken, München 1921).[1] Durch Intervention des Vatikans konnte er im April 1915 nach Heiligenkreuz zurückkehren, wo er seine Lehrtätigkeit wieder aufnahm und zugleich Pfarrer in Gaaden war. Am 24. Juli 1917 wählten ihn die Schlierbacher Zisterzienser als Nachfolger des verstorbenen Gerhard Haslroither zum damals jüngsten Abt Österreichs.

Alois Wiesinger war von 1917 bis zu seinem Tod 1955 Abt des Stiftes Schlierbach, das er wirtschaftlich (Käserei, Glasmalerei) und spirituell (Chorgebet) erneuerte und auch personell zur Blüte brachte. Während seiner Zeit hatte der Schlierbacher Konvent mit über 50 Mitgliedern seinen Personalhöchststand; insgesamt traten von 1917 bis 1955 126 Männer ein, von denen 64 auf Lebenszeit blieben. 1921 führte Abt Wiesinger das in Österreich wenig verbreitete[2] Institut der Laienbrüder ein, das er in Frankreich schätzen gelernt hatte. Dazu schickte er zwei Konversnovizen zur Ausbildung in das Brüdernoviziat der Erzabtei Sankt Ottilien in Oberbayern. Den beiden Konversen folgten bald weitere (1938 waren es 29) und das Institut wurde bald auch von anderen österreichischen Zisterzienserklöstern nachgeahmt, jedoch wurde die weitere Entwicklung durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen. Als äußeres Zeichen seiner Herz-Jesu-Frömmigkeit, die vermutlich auf seine jesuitisch geprägte Studienzeit in Innsbruck zurückgeht, weihte er 1920 anlässlich der Wiederbesiedlung Schlierbach vor 300 Jahren das Stift und seine Pfarreien dem Heiligsten Herzen Jesu.

Unter Abt Wiesinger entfaltete das Stift Schlierbach auch eine umfangreiche Bildungstätigkeit. 1920 wurde die landwirtschaftliche Winterschule gegründet, die bis zum Neubau 1982 im Stift untergebracht war, 1925 (auf Anregung des ehemaligen „Trappisten“ Sebastian Müller) mit zunächst sieben Schülern das noch heute bestehende Stiftsgymnasium, das 1932 das Öffentlichkeitsrecht erhielt (1938–1947 geschlossen). Zunächst nach Ottilianer Vorbild im missionarischen Geiste geführt, trug die Schule zeitweise den Namen Herz-Jesu-Missionskolleg. Eine große Zahl der Absolventen ergriff einen geistlichen Beruf (nach Keplinger, Ludwig: 50 Jahre Gymnasium Schlierbach, Schlierbach 1975, waren es bis dahin 75). Wiesinger blieb Direktor und Professor bis zu seinem Tod.

Im Anschluss an das Generalkapitel 1925 in Rom (1.–5. Okt.) besuchte Wiesinger, wie auch der Wilheringer Prior Justin Wöhrer, die große Vatikanische Missionsausstellung, die ihn sehr beeindruckte. Den Missionsaufrufen der Päpste Benedikt XV. und Pius XI. folgend, suchte er das kontemplative Gebetsleben mit der äußeren Missionstätigkeit zu verbinden. Bald wurde er zum Generalprokurator des Zisterzienserordens für Missionsangelegenheiten ernannt. 1928 sandte er Patres und Brüder zur Gründung des Klosters Spring Bank in die Vereinigten Staten von Amerika. 1938 übernahmen die Schlierbacher Zisterzienser die Seelsorge in der Missionspfarrei Jacobina in Brasilien, die die Fläche des Bundeslandes Oberösterreich hatte. Dort verbrachte Wiesinger, in Österreich von der Verhaftung durch die Nationalsozialisten bedroht, die Kriegsjahre von 1939 bis 1946 und gründete das Kloster Jequitibá (1950 Abtei).

Seit seiner Tätigkeit in Traiskirchen, wo er den Soziologen Anton Orel, Vordenker der christlichen Arbeiterjugend, kennengelernt hatte, beschäftigte sich Wiesinger mit der sozialen Frage, was sich wohl auch aus seiner entbehrungsreichen Kindheit und Jugend erklärt. Seine erste Kapitalismuskritik veröffentlichte er schon Anfang 1914 im «Linzer Volksblatt» unter dem Pseudonym Dr. Norikus. Häufig schrieb er Zeitungsbeiträge über soziale Themen, weswegen er von einigen Journalisten als „roter Abt“ bezeichnet wurde. 1947 erklärte er in seiner Monographie Der Operismus – Eine Darlegung der Grundsätze des Christentums zur Lösung der sozialen Frage (Linz 1947) den Materialismus und das Christentum für unvereinbar und forderte ordnungspolitische Maßnahmen des Staates zum Schutz der Arbeiter. 1948 folgte sein Manifest: 1848–1948 Arbeiter der Faust und der Stirne vereinigt Euch! (Linz 1948).

Alois Wiesinger starb plötzlich und unerwartet am späten Nachmittag des 3. Januar 1955. Seine Memoiren in Gebelsberger Kurzschrift liegen im Stiftsarchiv Schlierbach.

gge, März 2010, rev. April 2017

  1. Die Übersetzung erschien erst 1921, weil er es wegen des Krieges nicht gewagt hatte, das Manuskript aus Frankreich nach Österreich mitzunehmen. Er hatte es deshalb an ein römisches Archiv geschickt, wo es verlorenging und erst 1919 wiedergefunden wurde.
  2. Die österreichischen Zisterzienser waren seit Jahrhunderten vor allem in der Pfarrseelsorge tätig und mussten daher Priester sein.

Daten:

Vest.: 16. Juli 1905; Prof. ; Sac.: 1. Aug. 1909; Abbas: el. 24. Juli 1917, ben. 25. Juli 1917 (Bf. Gföllner); Dev: Major autem Caritas.

Werke:

War die in der hl. Schrift erzählte Besessenheit bloße Geisteskrankheit? Innsbruck, 1912 (Dissertation) · Innerlichkeit (Französischer Originaltitel: L’Ame de tout Apostolat). München 1921 und öfter · Okkulte Phänomene im Lichte der Theologie. Graz : Styria, 1947, ²1952 · Der Operismus. Eine Darlegung der Grundsätze des Christentums zur Lösung der sozialen Frage, Linz : Oberösterreichischer Landesverlag, 1948 · 1848–1948. Arbeiter der Faust und der Stirne vereinigt euch! Ein Aufruf an die Arbeiter der Welt. Linz: Oberösterreichischer Landesverlag, [1948] · Werkverzeichnis.

Literatur:

Frey, Nivard: Alois Wiesinger. Abt, Missionar, Wissenschaftler, in: Oberösterreicher. Lebensbilder zur Geschichte Oberösterreichs, Bd. 2 (Linz 1982) S. 179–191 · Größl, Lothar: Kirche und soziale Frage. Der Beitrag Wiesingers zur katholischen Soziallehre, in: Cistercienser Chronik 94 (1987), S. 164–176 · Keplinger, Ludwig: Abt Dr. Alois Wiesinger, in: 49. Jahresbericht des Gymnasiums der Abtei Schlierbach, 1985/86 (1986) S. 5–9 · Pranzl, Rudolf: Anmerkungen zu einem Lexikonartikel von Prof. Sauser (Trier) über Abt Alois Wiesinger OCist (1885-1955), in: Cistercienser Chronik 106 (1999), S. 363–369 · Pranzl, Rudolf: Abt Dr. Alois Wiesinger OCist, Mönch und Missionar, Pädagoge und Wissenschafter (1885–1955), in: Faszinierende Gestalten der Kirche Österreichs, hrsg. von Jan Mikrut, Bd. 10, Wien 2003, S. 377–412 · Resch, Andreas: Okkulte Phänomene: Parapsychologische Studien des Abtes Alois Wiesinger, in: 49. Jahresbericht des Gymnasiums der Abtei Schlierbach, 1985/86 (1986) S. 10–14 · Stachelberger, Alfred: Abt Dr. Alois Wiesinger OCist. Wegbereiter einer Kultur-, Gesellschafts- und Sozialreform. Wien 1983. 21 S., 2 Bl. (Wiener Katholische Akademie, Arbeitskreis für kirchl. Zeit- und Wiener Diözesangeschichte. Miscellanea N.R. 171) · Schachenmayr, Alkuin Volker: Prägende Professoren in der Entwicklung des theologischen Lehrbetriebes im Cistercienserstift Heiligenkreuz von 1802–2002. Langwaden : Bernardus, 2004 (Über Abt Alois Wiesinger S. 171–182).

Normdaten:

GND: 118771671 · BEACON-Findbuch

Zitierempfehlung: Wiesinger, Alois, in: Biographia Cisterciensis (Cistercian Biography), Version vom 21.12.2020, URL: http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Wiesinger,_Alois

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