Hélinand de Froidmont
Poet und Troubadour; Zisterzienser in Froidmont
* um 1160
† um 1233
Ehe er Zisterzienser wurde, zog Hélinand de Froidmont als erfolgreicher Troubadour (trouvère) umher. Um 1160 als Spross einer flämischen Adelsfamilie geboren, die in die Picardie geflüchtet war, studierte er zunächst in Beauvais. Angeblich soll er als 30-Jähriger nach Errettung aus Todesgefahr dem höfischen Leben abgeschworen haben und in Froidmont (Bistum Beauvais, Dépt. Oise) eingetreten sein. Hier bekleidete er zeitweilig das Amt des Priors und verstarb um 1233.
Auch im Kloster blieb Hélinand der Dicht- und Liedkunst treu, die in altfranzösischer und mittellateinischer Sprache überliefert ist. Inhaltlich stehen viele Texte deutlich im Dienst des monastischen Lebens. Sie gehören demnach zur mittelalterlichen Contemptus-mundi-Dichtung, die eine relative (nicht absolute wie im Buddhismus) Weltverachtung predigt. So beschwört Hélinand im Liber de reparatione lapsi einen Freund, seinen Austritt aus dem Kloster rückgängig zu machen. In dieses Weltbild passen erst recht die Vers de la mort[1]. Darin geißelt er „voll beißender Satire“ das Weltleben, wie er es sieht. Formal ist die darin angewandte Strophengliederung bemerkenswert. Diese „Helinandsstrophe“ besteht aus je zwölf achtsilbigen Versen, die sich nach dem Schema „aab aab, bba bba“ reimen.
Ferner sind 31 Predigten überliefert. Darin kritisiert Hélinand gelegentlich auch den eigenen Orden recht gehörig. Im Sermo 23[2] stellt er fiktiv einen Zisterzienser wegen Bauwut und Bauluxus zur Rede, weil diese dem Gelübde der Armut widersprächen. Es scheine, als baue man für die Ewigkeit, obwohl doch im irdischen Leben nur der Augenblick zähle. Seiner Meinung nach sollten nur Vorratshäuser in Stein errichtet werden, weil das Lagergut auch den Armen zugute käme und deshalb sicher verwahrt werden müsse. Freilich folgt Hélinand hier einem geläufigen Muster der damaligen Moraltheologie, die mit solchem Tadel das Laster von Hoch- und Übermut (superbia) anprangern wollte. Nur zeichnet sich Hélinand durch die satirische Überspitzung aus. Einige der Predigten richten sich gegen die „Ketzer“ und kamen sogar an der Universität Toulouse zum Vortrag.
Zeitlich unsicher und inhaltlich unvollständig ist Hélinands Tätigkeit als Chronist zu bestimmen. Sie liegt vor 1216, näherhin vielleicht um 1204. Von seiner insgesamt 49 Bände umfassenden Weltchronik sind nur 13 Bücher selbständig überliefert. Doch konnten große Teile der übrigen Bände rekonstruiert werden, vor allem aus dem Speculum maius des Vinzenz von Beauvais (1184/94–c1264). Vinzenz hat nicht nur Textpassagen übernommen, sondern auch Helinands lobenswerte Gepflogenheit, beim Zitieren die Quellen genau zu bezeichnen, was damals keineswegs allgemein üblich war.
Schließlich liegt ein Kommentar Hélinands zur Apokalypse vor. Bei einem weiteren zum Hohenlied ist seine Autorschaft unsicher, aber naheliegend für einen ehemaligen Minnesänger. Ferner beschrieb er das Martyrium der Thebaischen Legion.
Die Vorliebe für Satire, Pointen und gezielte Seitenhiebe – alles gerne in Metaphern gekleidet – ist Erbe des Troubadours Hélinand.
Hermann Josef Roth, Sep. 2013
Literatur:
Kienzle, Beverly M.: Preaching in Hélinand of Froidmont. In: Goad and Nail 1985, S. 228–240 · Kienzle, Beverly M.: The House of the Lord. Hélinand on Superfluous Monastic Construction. In: Proceedings of the Patristic Medieval and Renaissance Conference, 11, 1986, S. 135–141 · Klopfer, Robert: Der sel. Helinand von Froidmont. In: CistC 50, 1938, S. 40–42 · Paden, W. D.: De monachis rhitmis facientibus. In: Speculum 55, 1980, 669–685 · Paulmier-Foucart, M.: Écrire l’histoire au XIIIe siècle: Vincent de Beauvais et Hélinand de Froidmont. In: Annales del’Est 33, 1981, 49–70 · Payen, J. C.: L’homo viator et le croisé. La mort et le salut dans la tradition du douzain. In: Death in the Middle Ages (Mediaevalia Lovaniensia. Series I: Studia 9), Löwen 1983, S. 258–285 · Roth, Hermann Josef: Minnesänger und Zisterzienser. In: CistC. 117, 2/3, 2010, S. 225–227 · Scholz Williams, G.: Against Court and School: Heinrich of Melk and Hélinand of Froidmont, In: Neophilologus 42, 1978, 513–526.Vorlage:Page.name: HELINAND de Froidmont (c1160–c1233) – Biographia Cisterciensis